Die alte Novelle "Vom Vintage Verweht" beschreibt in dreizehn Kapiteln, wie sich die Hauptfigur von lang gelebten, teilweise lieb gewonnenen Werten, Normen, aber vor allem auch Regeln verabschiedet. Der Autor beschreibt diese Entwicklung am Beispiel eines Mannes im mittleren Alter, der zwar sehr spät, aber ebenso entschlossen sein Elternhaus verlässt, um die Welt neu zu entdecken. Schon im ersten Kapitel "Nesthocker" heißt, es "...der Rahmen war zu klein und leider viel zu eng,
„Ich pass partout nicht rein und neige ihn zu sprengen..." Im Verlauf der Geschichte stößt der Protagonist auf immer neue Gegensätze und Widersprüche, denen er aus vollem Hals Paroli bietet. Wann immer ihn die Vergangenheit einzuholen droht, strotzt er ihr mit einer scheinbar selbst für ihn unerwarteten Energie. Nicht umsonst gilt: "...die halbe Miete sind die Nebenkosten, da kann die alte Liebe um Ihr Leben rosten..."
Die Hauptfigur beschreitet den Weg: "...vom Pech geächtet und vom Glück verfolgt..." und wandelt sich so gekonnt vom Nesthocker zum Chefrocker. Auch wenn der Autor, durch seine fast sprunghaften Perspektivenwechsel und seinen Hang, die Hauptfigur in der dritten Person über sich selbst sprechen zu lassen, versucht seine eigene Identität und den oft erschreckend biografischen Inhalt zu verbergen, ist nach wenigen Kapiteln klar, dass Autor und Hauptfigur die gleiche Person sind.
Die zahlreichen Referenzen, aus der deutschen und amerikanischen Popgeschichte weisen zudem darauf hin, dass es sich hier um einen Musiker handelt, der in seinem Element ist. So regiert das Spiel mit der Vergänglichkeit genauso wie der Druck der Gegenwart. Zwar bedient sich die Hauptfigur fast ausschließlich den Klängen seiner Adoleszenz, welchem Genre er sich selbst zugehörig fühlt, bleib aber verborgen. Vielmehr entsteht der Eindruck, seine ganze Reise diene nicht mehr der Selbstfindung, sondern längst der Selbstdarstellung. Er mag Tiere und Roboter, will aber wieder Mensch sein. Denn "... da wo kleine Fische ihrem Glück im Wege standen, machen heut die Haie aus den Mücken Elefanten...", und er sieht ein, "...näher am Schrittmacher als am Puls der Zeit..." zu sein. "...Das Leben ist die Hölle, aber man steckt nicht drin..."
Inwiefern der Wandel der Hauptfigur gelungen ist bleibt, wie bei den meisten Geschichten, die das Leben schrieb, ungewiss und im Auge des Betrachters. Für den Autor und seinen Titelhelden scheint es ein unvermeidbarer, längst gegangener Weg gewesen zu sein. Ein breiterer Pfad, der noch Platz für Meilensteine hat. Geschichten wie diese schreibt man nicht im Büro oder am heimischen Schreibtisch.
Man schreibt sie im Tourbus und auf fragwürdigen Studio-Sofas. Man schreibt sie nicht zum Lesen oder Hören. Man schreibt sie zum live erleben. Dabeisein bleibt alles. Die ganze ungestüme Energie, die einen im Handlungsverlauf zeitweise fast zu erdrücken droht, erinnert an die frühen Werke des Hamburgers Dendemann, der sich schon 2010 mit Produzentenlegende Moses Schneider im Transporterraum und Chez Cherie wahre Schlachten lieferte. Sie entwickelten damals eine Aufnahme-Methode, die den live erprobten, durch Hexenkessel (Beatsteaks) und Ballsport-Arenen (Herbert) gereiften Künstler an seine Grenzen bringen sollte, und bannten so dessen Bühnenqualitäten erstmals auf ein Studio-Album. Der Auszug scheint für die Hauptfigur mehr als gelungen, aber um es mit seinen Worten zu sagen "...die Skepsis stirbt zuletzt..."