Willkommen in "Grey Britain". Willkommen im wahren Britannien: einem Land der Armut, der Gewalt, der schlechten Ernährung und der üblen Manieren. Ein Land der Arbeitslosenschlangen, des Verfalls und der Dealer. Der Ignoranz und der Vaterschaftstests in der Jeremy Kyle-Show. Der Messerstechereien und der Gangs. Ein Land, in dem die Auflage von Sozialstrafen als Auszeichnung betrachtet wird. Willkommen zum neuen Lagebericht der Nation von GALLOWS.
"Grey Britain" ist das zweite Album der GALLOWS. Es wurde mit Garth 'GGGarth' Richardson (Rage Against The Machine, Biffy Clyro) 2008 in den RAK-Studios in London aufgenommen und mit zusätzlichen Streichersätzen, die in den Air-Studios, und Pianosequenzen, die in den Abbey Road-Studios aufgenommen wurden, ergänzt.
Als drastische Anklageschrift und Audio-Dokument eines Landes, das von der Rezession verkrüppelt wurde, ist es das wichtigste Punkrock-Album, das in England seit Jahren das Licht der Welt erblickt hat: Drängend, energetisch, böse und offen nihilistisch.
"Nach unserem ersten Album sind wir draußen gewesen und durch die Welt gefahren", erklärt Frontmann Frank Carter. "Wir haben andere Kulturen gesehen und haben nun ein Album über all das, was wir gesehen haben, geschrieben - aber insbesondere über die Zustände hier in England. Der Rassismus, die Ignoranz, die Hoffnungslosigkeit, der Verlust des moralischen Verständnisses. "Grey Britain" behandelt das Leben in einer egoistischen Gesellschaft, in der Gier und Aggression die Leitbilder sind, in der die Ambitionen sehr gering sind und die junge Generation den emotionalen Kontakt zur Welt um sich herum verloren hat. Das Album erhält seinen Höhepunkt durch ein Gefühl des Massenselbstmords, irgendwie - alle fühlen, dass es ohne einen Wechsel keine Zukunft geben wird."
GALLOWS bieten keine Lösung für das, was sie als das Problem sehen. Stattdessen sollen Songs wie "I Dread The Night" und "Misery" die Leute daran zu erinnern, das sie leben und Verantwortung tragen. Und statt mit dem Finger wieder mal auf die Politiker zu zeigen, geht die Kritik an die selbstbezogenen, trägen und verlogenen Menschen, die "Grey Britain" bewohnen.
"Uns ging es nie darum, Sprache zu verstümmeln", so Frank weiter. "Ich habe mich sogar zusammengerissen und Selbstzensur auf dem Album betrieben, um die englische Sprache intelligenter zu benutzen. Die Gewalt und der Schmutz sind noch da - so sind wir - aber sie werden nicht mehr durch ein Vokabular von Fluchwörtern ausgedrückt."
GALLOWS gründeten sich im Jahr 2005 in Watford aus der Asche zweier Vorläufer-Bands. Sie erschienen 2006 in der Öffentlichkeit, rissen sich 2007 den Arsch auf und genossen den größten Teil des Jahres 2008. Ihr 2006er-Debüt "Orchestra of Wolves" war der heiße Shit, der durch ein offenes Fenster auf die Musikszene geworfen wurde; das Echte floss in den seichten, stagnierenden See derjenigen, die so tun als ob.
Inspiriert von Bands wie Refused, At The Drive-In und JR Ewing, war "Orchestra of Wolves" ein wütendes und hässliches Album für wütende, hässliche Zeiten. Es spiegelte die Vorstellungskraft jener Generation von Musikfans wider, die vom Szenegeplänkel gelangweilt waren. Seit den Tagen der Pistols/Clash/Specials gab es in England keine Band, die ein dermaßen glaubwürdiges und schockierendes Produkt ihrer Umgebung ist.
Es war auf der Straße, erst in Jugendzentren und Punk-Kaschemmen, dann in den etablierteren Clubs und auf Festivals, wo GALLOWS sich ihren Ruf als rasendste Band der Stunde erspielten. Live sind sie eine Attacke mit fünf Speerspitzen, vollkommen außer sich und angeführt von Frontmann Frank Carter. Er erschien wie zusammengesetzter Nachfahre von John Lydon und Tom Roth aus "Made In Britain". Hinter ihm: eine Wand aus Lärm, fliegende Gliedmaßen und Riffs wie zuschlagende Fingerknöchel, die dem Publikum die Wahl ließen, entweder zu fliehen oder sich mitten in die Menge zu stürzen.
Nach nur einem Album fanden sich GALLOWS als die erfolgreichste Band wieder, die die fruchtbare UK-Hardcore-Szene je hervorbrachte. Ein Deal mit Warner/Epitaph (USA) führte zur Wiederveröffentlichung des Albums und dazu, dass die Band fast überall spielen konnte. Dann kamen die Frontseiten der Magazine, TV-Auftritte, große US-Tourneen und eine Kooperation mit Grime-Künstler Lethal Bizzle auf Staring At The Rude Bois, der klassischen Story urbaner Unzufriedenheit von den Ruts.
Wohl die meisten Bands hätten hier die Chance gesehen, die Kohle zu greifen und auf die Top-10 zu schielen. Aber GALLOWS sind eben nicht "die meisten Bands". Stattdessen gehen sie mit "Grey Britain" genau den anderen Weg: härter, heavier, lauter, tiefer, direkter. "Alle Bands behaupten das", räumt Frank ein. "Und es ist so ein verdammtes Klischee, aber wenn die Leute das Album hören, werden sie es verstehen."
So kommen GALLOWS nun also zurück: Mit dem Portrait ihres Landes, so wie sie es erleben. Ein bröckelndes, zubetoniertes Albion ohne Zukunft - und eine Musikszene, die von Ja-sagenden Klonen beherrscht wird. Ihre Botschaft ist klarer als je zuvor: Stoppt den Egoismus. Stoppt die Unoriginalität. Kriegt euer Leben auf die Reihe. Liebe Deinen Nächsten. Und wach auf, bevor es zu spät ist.
"Warum sollte man bei einem Major-Label unterschreiben und dann nichts mehr zu sagen haben?", fragt Gitarrist Laurent Barnard. "Wir haben hier alles reingesteckt. Wir sehen, wie andere Bands von ihren Geldgebern gesagt bekommen, was sie machen sollen, aber wir gehören nicht zu ihnen. Dieses Album ist ein Tritt in den Arsch; in unseren und in jeden anderen. Du kannst die Maschine nicht ändern, aber du kannst den Leuten die Augen öffnen und, wenn nötig, ihr Leben verändern."
Solche klaren Statements sind es, die GALLOWS zu einer unbequemen Band machen. Eine Band, die lieber Karriere-Harakiri begehen würde, bevor sie sich als Standard betrachten würden. Eine Band, die sowohl Discharge als auch Killing Joke als Einflüsse für das Album heranzieht. Denn trotz all des Applauses und all der Flugmeilen liegt ihnen die alte DIY-Mentalität der Punkbands zugrunde, die in krassem Gegensatz zur der Mainstream-Welt steht, deren Angebote sie konstant widerstehen.
"Zu viele Rockbands scheinen heute vor allem mit Champagner, Schlampen und fünf Nächten an der Brixton Academy beschäftigt zu sein", so verteilt Frank einen Seitenhieb. "Welle auf Welle stehlen Selbstparodisten und Karrieristen Stoff von ihren Vorbildern. Wir wollen für etwas anderes in Erinnerung bleiben. Wenn wir dazu beigetragen haben, eine bessere Generation von Musik zu inspirieren - wenn wir es schaffen, ein paar Samen auf fruchtbaren Grund fallen zu lassen - dann haben wir einen guten Job gemacht und werden uns aus dem Staub machen."