Foto: Plattenfirma
WEBSITE: www.mellowdramas.com
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„Words become whispers. We exchange glances, leaden with meaning. Music melts the moment, we dance.”
JENs „Mellow Dramas“ sind nachvollziehbare Geschichten einer selbstbewussten Frau, die sich nicht dafür schämt, sich lyrisch ihrer vielschichtigen Emotionalität zu ergeben, im Einklang mit äußeren Umständen ihr Innerstes nach Außen zu kehren und das Ergebnis dessen in kunstvoll verpackter Kombination mit musikalischer Tiefe in einem spannenden Spoken Word-Album münden zu lassen.
Spoken Word Poetry.
Ein Genre der darstellenden Kunst, bei dem ein lyrischer Text oder eine Erzählung in gesprochener Form vorgetragen wird. So wie bei den Last Poets mit ihrem Engagement für die afroamerikanischen Werte. Oder bei Gil Scott-Heron, der auf seinem ersten Album aus einem selbst geschriebenen Gedichtband rezitiert hat. Oder Henry Rollins, der durch seine Spoken Word Performances neben seinen Bandprojekten und der Schauspielerei einen weiteren Weg gefunden hat, um sich kreativ ausdrücken zu können. Sie alle haben miteinander gemein, dass sie es geschafft haben, nicht nur ihre Persönlichkeit zwischen die Zeilen ihrer wohl gewählten Worte zu legen, sondern im Zusammenspiel mit (und im Gegensatz zu) ihrer Musikalität eine anregende Form von Wahrheit zu formulieren, deren universelle Nachvollziehbarkeit weit über den Plattentellerrand ihrer veröffentlichten Tonträger hinausgeht.
Jennifer Schwed aka JEN aus Washington DC darf zukünftig getrost in einem Atemzug mit den oben genannten Artists genannt werden, wenngleich der attraktiven Mittdreißigerin auf ihrem Solodebüt über Stereo Deluxe sicherlich die politische Komponente keine zentrale Rolle spielt, wie beispielsweise bei der so hochgeschätzten und vielzitierten Kollegin Ursula Rucker. Stattdessen handeln die „Mellow Dramas“ von JEN vor allem von den unmittelbaren Befindlichkeiten des eigenen Seins. Von zwischenmenschlichen Bedürfnissen, unerfüllten Sehnsüchten und innerer Zerrissenheit, sowie den Höhen und Tiefen der Liebe, der Lust und des Lebens.
„Die Platte mag den Eindruck erwecken, als würde ich meine Inspiration zum Schreiben hauptsächlich aus der Auseinandersetzung mit bestimmten Problemen und Konflikten beziehen, aber dem ist nicht so“, beschreibt JEN ihren lyrischen Findungsprozess. „Schönheit, Zufriedenheit und Glück können genauso inspirierend sein. Auf ‚Mellow Dramas’ ging es mir vor allem um eine konzeptionelle Begegnung mit den verschiedenen Facetten der Liebe. Und die Schattenseiten der amourösen Gefühlspalette sind sicherlich immer eine große Motivation, um dem Ganzen eine zusätzliche Dramaturgie zu verleihen.“
Nicht, dass JENs Einstand auf der großen Bildfläche anspruchsvoller Spoken Word Poetry deshalb ein übellauniges, pessimistisches und deprimierendes Werk über die mannigfaltigen Enttäuschungen unerwiderter Gefühle geworden wäre. Das entspräche überhaupt nicht dem offenen Charakter und sonnigen Gemüt der sympathischen Amerikanerin aus Washington D.C... Aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sie die zerbrechliche Ehrlichkeit ihrer Worte über die gesamte Spielzeit auf einem schützenden Mantel wohliger Melancholie gebettet hat, auf dem sich die eindringliche Vortragsweise ihrer Worte und deren fesselnder Inhalt hingebungsvoll ineinander schmiegen, als wollten sie sich nie wieder loslassen und an ihrer statt ewige Liebe schwören.
„Wenn man sich ohne Rücksicht auf Verluste voll und ganz in seiner Leidenschaft verliert, geht das eben oftmals mit einer schmerzlichen Ernüchterung und einer mit Melancholie benetzten Erkenntnis einher“, lässt sich JEN auf die Frage nach der leisen Präsenz einer sanft anmutenden Schwermütigkeit zitieren. „Liebe ist eben nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen. Gerade dieser Umstand, jederzeit enttäuscht werden und auf einen Schlag alles verlieren zu können, ist es ja, der sie so intensiv, aufregend und kostbar macht. Es sind eben immer erst beide Seiten einer Medaille, die am Ende ein schlüssiges Ganzes ergeben.“
Überhaupt ist es bezeichnend für JEN und ihre mellowdramatischen Auseinandersetzungen mit sich selbst und der unmittelbaren Welt um sie herum, dass sich ihre Kunst nie in einer unzureichend-eindimensionalen Betrachtungsweise von Begebenheiten erschöpft, sondern erst durch die Dualität der Dinge zu voller Größe heranwächst.
Schatten und Licht.
Emotionale Isolation und erfüllende Zweisamkeit.
Zweifelnde Fragen und berührende Antworten.
Erst diese Bipolarität lässt die Worte zu Wahrheit, Kreativität zu Kunst und Dichtung zu Drama werden.
Besonders deutlich wird das in der gelungenen Interaktion von Text und Ton, die JENs Poesie diesen ganz besonderen Zauber und eine fesselnde Faszination verleiht. „Durch die Kombination mit der Musik bekommen meine Gedichte eine zusätzliche Dimension, die sie aufblühen und wachsen lassen und mir die Chance geben, mich und meine Gedanken noch mal auf andere Weise ganz neu kennen zu lernen.“ So hat sie ihren wundervollen Worten von einer illustren Schar namhafter Produzenten wie Gelka, Solar Moon, Kieser.Velten oder CAN7 ein klangvolles Kleid auf den verbalisierten Leib schneidern lassen, das den Inhalten der Künstlerin eine ungeahnte Magie und Kraft verleiht.
„Ich hatte für meine Gedichte immer schon eine Art cineastisches Konzept im Kopf und war auf der Suche nach Musikern, die diesen Ansatz verstehen und in der Lage waren, meine Worte durch ihre Musik in entsprechende Bahnen zu lenken“, so JEN. „Meine Gedichte sind für mich wie der Soundtrack zu einem Film. Ein innerer Monolog, der als Musikstück verpackt ist. Meine Poesie braucht diese Untermalung, um wirklich zum Leben erweckt werden und atmen zu können.“
Als JEN nach langer Suche und einigen erfolglosen Experimenten schließlich eine Compilation mit Downtempo-Instrumentals aus Europa in die Hände bekam, verliebte sie sich ad hoc in einen bestimmten Track darauf und schrieb ihren nächsten Schwung Poems zum Groove dieses bestimmten Stückes Musik mit einer großen Portion Extra-Motivation. Kurzerhand beschloss sie, einen der Urheber des Songs auf der anderen Seite des Atlantiks zu kontaktieren. Der Kölner Journalist, Producer und DJ George Solar war sofort angetan von JENs Idee einer Zusammenarbeit sowie der Qualität ihrer mit unwiderstehlicher Stimme vorgetragenen Poetry. Die aus dieser transatlantischen Begegnung resultierenden, ersten „Mellow Dramas“ sowie Georges gute Kontakte zu befreundeten Elektronik-Produzenten von Rang und Namen legten den Grundstein für die Umsetzung einer gemeinsamen Vision. „Seitdem wirkt George als mein musikalischer Soulmate und bester Berater“, so JEN. „Und es haben uns viele großartige Musiker und Producer dabei geholfen, diese Vision umzusetzen... denen ich allen sehr dankbar bin.“
Die Authentizität im Ausdruck von JENs Stimme, das Entdecken eigener Sehnsüchte durch die Wahl ihrer Worte und die präzise Verschmelzung menschlicher Befindlichkeiten im Zusammenspiel mit der Musik sind es, die „Mellow Dramas“ so bemerkenswert, ehrlich und besonders machen. Und die sie gleichzeitig geschickt davor schützen, in den seichten Gewässern liebesschnulziger Bedeutungslosigkeit unterzugehen.
JENs „Mellow Dramas“ sind das faszinierende Resultat einer zutiefst weiblichen Sicht auf die Dinge, dem ein situatives Verstehen einzelner Augenblicke und deren beeindruckender Verbildlichung anhaftet, wie sie trotz der Flut ähnlich gearteter Veröffentlichungen nur sehr selten zu finden sind.
Denn JENs „Mellow Dramas“ sind kein austauschbares Produkt publizierter Belanglosigkeit, sondern das großartige Ergebnis einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den vielfältigen Verzweigungen des eigenen Ichs.
Träumerisch, gehaltvoll... und einfach nur schön.
(Quelle: Sven-Erik Stephan, Beatsinternational, 24.9.2008)
FORMAT: CD
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