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CD-DETAILS SEND AWAY THE TIGERS [MANIC STREET PREACHERS]

Manic Street Preachers

Send Away The Tigers [Rock / Alternative]


RELEASE: 04.05.2007


LABEL: Red Ink

VERTRIEB: Rough Trade

WEBSITE: www.manics.co.uk

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Endlich wieder Manics! Viel zu lange hat man von ihnen nichts mehr gehört! Ja klar, die Soloprojekte von James Dean Bradfield und Nicky Wire haben uns die Manics-Pause erträglich gemacht, aber nun steht die Band endlich wieder komplett in den Startlöchern! Das Album "Send Away The Tigers" (Red Ink / Rough Trade / Mai 2007) ist fertig.
Auf der neuen Internetseite gibt es auch schon das Video zur Single „Your Love Alone Is Not Enough“ bei der Cardigans Sängerin Nina Person kräftig mitmischt. Live werden die Manic Street Preachers auf der WDR / Rocknacht am 14.04. und beim Hurricane / Southside Festival zu sehen sein.

(Quelle: Verstärker, 28.3.2007)



Send Away The Tigers’ von Nicky Wire

Die Manic Street Preachers haben einen Prozess durchlaufen, der alles das zerstört hat, was wir je waren oder sind.

Was natürlich auf die meisten großen Bands zutrifft … doch seit Everything Must Go und This Is My Truth haben wir versucht, uns zu einem Haufen Schutt zu reduzieren. Was Send Away The Tigers angeht, so haben wir Everything Must Go und sogar den jugendlichen Idealismus von Generation Terrorists noch einmal auf uns wirken lassen, uns dabei ins Alter von 18 oder 21 zurückversetzt gefühlt und uns an all die Dinge erinnert, die uns damals begeistert haben. Zynismus ist brillant. Aber man erreicht einen Punkt, an dem er nicht unbedingt hilfreich ist, wenn man in einer Band spielt.

Send Away The Tigers ist kein ambitioniertes Konzeptalbum, aber die Theorie, die dahintersteckt, ist schon wichtig. Dieses Mal hatten wir etwa 30 Songs geschrieben und entschlossen daran gearbeitet, weil wir in der Vergangenheit zu viel auf einige unserer Alben gepackt haben. Übrig geblieben sind die zehn besten Stücke. Das Ergebnis ist kurz … 38 Minuten lang. Als wir mit den Arbeiten zu dieser Platte begannen, setzten wir uns zu dritt in einen Proberaum und machten ordentlich Lärm. Manchmal muss man die Lektionen seiner eigenen Vergangenheit lernen. James zelebrierte endlose Gitarrensoli ohne Sean und mich. „Hör auf, dir einen runterzuholen!“ Wir fühlten uns wie befreit.

Ende 2005 begannen wir, Stücke für diese Scheibe zu schreiben, an die Aufnahmen ging es ernsthaft im März 2006 zusammen mit Dave Eringa. Aufgenommen haben wir in den Stir Studios in Cardiff und im Grouse Lodge in County Westmeath, Ireland, fertig waren wir im November 2006, und abgemischt wurde dann von Chris Lord-Alge (Green Day, My Chemical Romance) in Kalifornien.

Gleichzeitig brachten James und ich unsere ersten Soloalben The Great Western und I Killed The Zeitgeist heraus. Diese Soloveröffentlichungen waren sehr wichtig für uns und boten uns die Möglichkeit, ganz und gar eitel die Alben aufzunehmen, die wir aufnehmen wollten … und die uns dann erkennen ließen, wo unsere wahren Talente liegen. Bei meinen Sologigs traf ich Leute, fühlte mich inspiriert und hatte jede Menge Spaß; was mir bewusst machte, dass die Manics dieses Element der fabelhaften Katastrophe verloren haben … diesen Augenblick in Technicolor, als die Sex Pistols so unglaublich komisch und dabei gleichzeitig todernst waren. The Clash und die Sex Pistols sind unsere größten Inspirationen. Das haben wir lange Zeit abgestritten, aber es ist eine Tatsache. Und auf diesem Album sind wir zur Quelle zurückgekehrt.

Eine Auflösung der Manics kam für uns nie in Frage. Bei uns gab es keine spannungsgeladenen Desaster, weil wir nun mal nicht diese Art von Menschen sind, aber eine allgemeine Langeweile hatte sich schon breit gemacht. Wäre da nicht Ende 2004 die kurze Tour nach Lifeblood gewesen, die uns daran erinnerte, was das Publikum an uns mag … Ich glaube nicht, dass wir uns getrennt hätten, weil wir uns einfach zu gut verstehen, aber die Band wäre vielleicht im Sande versickert. Nun haben wir gerade erst unsere nächste Tour angekündigt, und noch niemals in den letzten zehn Jahren haben sich die Karten so schnell verkauft. Der Wiederanbindungsprozess hat also begonnen.

Send Away The Tigers ist ein Satz, den der Komikers Tony Hancock jedes Mal benutzte, wenn er sich volllaufen ließ. Ich entdeckte eine Parallele zwischen diesem Zitat und den Tieren, die im Zoo von Baghdad freigelassen wurden, als die alliierten Truppen dort ankamen - eine etwas fehlgeleitete Vorstellung von Befreiung. Außerdem war da der Gedanke, von einer Fehlentscheidung verfolgt zu werden. Bei Hancock war es die Kündigung seiner Autoren. Und Tony Blair hätte in der Geschichte als großer Premierminister dastehen können - trotz seiner Fehler -, wenn da nicht der Irak wäre. Nun ist sein Leben komplett ruiniert. Im kleineren Maßstab waren gewisse Dinge, die ich gesagt habe, absolut blöde und überflüssig … und das sind natürlich genau die Dinge, an die man sich erinnern wird.

Was meine Texte auf dem Album angeht, so ist mir gerade erst bewusst geworden, dass meine Wut eine gute Sache war. Zumindest solange ich sie kontrollieren kann und sie weniger nihilistisch geraten lasse als auf meinem Soloalbum. I Killed The Zeitgeist bot mir eine willkommene Gelegenheit, den Nihilismus in all seiner Schönheit zu umarmen. Ich dachte, wenn ich nur alle diese Elemente nehmen und weniger Angst davor haben könnte, wirklich wichtige Worte zu schreiben. Denn es kann einem schon Angst machen, wenn alles um einen herum so oberflächlich und leicht ist. Die Alternative-Bands sind einfach vom Nichts aufgesaugt worden, sie sind abgestumpft. Als wir anfingen, dachten wir aufgrund des auf der Indie-Szene grassierenden Snobismus, das schockierendste, was wir tun könnten, wäre zu behaupten, wir wollten wie Bruce Springsteen und The Clash sein … wir wollten riesig sein. Unsere Eigenartigkeit bestand in unserer Normalität. Nun ist es hoffentlich unser Idealismus - diese John Lydon-Vorstellung, dass Wut eine Energie ist - der uns von der Masse abhebt. Man muss direkt sein.

Diese Guilty Pleasures-Sache hatte auch einen gewissen Einfluss, zumal James Sean Rowley ziemlich gut kennt. Guilty Pleasures hatte diesen klassischen Effekt: man fühlte sich besser bezüglich einiger Platten, auf die man heimlich steht. Wir lieben zum Beispiel klassische Radionummern von den Eagles, Boston und REO Speedwagon, und dahin wollten wir zurückfinden, allerdings mit unserem offensichtlichen poetischen Einschlag. Autumnsong, insbesondere … es gab da einen Punkt, an dem James sich wirklich bemühte, diesen Song auseinanderzupflücken, weil er so unüberhörbar an Sweet Child O’ Mine und I See You Crying von Aerosmith erinnerte. Irgendwann musste ich ihn mir vorknöpfen und ihm sagen: „Wenn es so klingt als ob du Slash nachahmst … dann ist das in Ordnung. Denn das bist DU.“ Von diesem Moment an mussten wir nicht mehr sehr hart arbeiten. Alles passierte wie von selbst. Wir sprachen darüber, dass wir keine Angst davor hatten, einen Hauch klischeemäßig zu sein. Denn wenn wir live spielen, sind wir ein Klischee - wir spielen Paradise City und springen auf die Marshall-Türme. Die Hookline „Baby what you done to your hair?“ erinnert stark an einen Aerosmith-Song, handelt jedoch davon, jung zu sein und eine Verbindung zu etwas herzustellen, das man liebt … sei es ein Mädchen oder eine Platte, die man am liebsten zwanzig Mal hintereinander abspielen würde. Dinge, die dir die Kraft geben, nach draußen zu gehen und daran zu glauben, dass du etwas wirklich tun kannst. Man versinkt in Paranoia, wenn man in einer Band ist, und das ist blöd. In einer Rock’n’Roll-Band zu spielen, ist einfach ein euphorischer Kick.

Sean hat dieses Mal viel mehr zusammen mit James geschrieben. Und ich schrieb die Hälfte der Musik für die erste Single Your Love Alone Is Not Enough, auf der Nina Persson von den Cardigans zu hören ist - meiner Meinung nach eine der großen unterschätzten Bands, und ich liebe ihre Stimme. Der Text ist kompliziert. Auf einer Ebene versucht er zu sagen, dass ein einziges Element niemals genug ist, wenn ein Land überleben will. Man kann sich nicht nur auf Religion oder Liebe oder Demokratie verlassen. Wir brauchen alle diese Elemente, wenn ein Land funktionieren soll. Es geht aber auch um Menschen und insbesondere Selbstmord. Zu viele Menschen, die ich kenne, haben sich umgebracht. James meinte: „Toll. Noch so ein verdammter Song über Selbstmord! Ich dachte, das hättest du alles auf deinem Soloalbum abgehandelt?“ Vermutlich werden einige Leute glauben, dass es auch um Richey geht. Er war in einer erfolgreichen Band, wenn er gewollt hätte, hätte er eine nette Freundin haben können, wir alle mochten ihn. Aber … es war nicht genug. Wir haben natürlich keine Ahnung, ob er sich umgebracht hat oder nicht. Aber … da ist eine Textzeile: „I could have seen for miles and miles/I could’ve shown you how to smile/I could’ve shown you how to cry“… es ist einfach dieses Gefühl des Bedauerns. Die Ungewissheit, ob wir nicht vielleicht mehr hätten tun können.

Was Rendition angeht … wenn die CIA Leute irgendwohin fliegt, um sie zu foltern, wird das als „extraordinary rendition“ bezeichnet. Das fand ich ziemlich eigenartig. Mit Guantanamo Bay hat Amerika einen Ort auf Kuba - auf dem Territorium seines größten Feindes! -, den es sich irgendwie angeeignet hat, was im Grunde noch viel seltsamer ist, und dieser Ort steht über dem Gesetz. Und wenn dasselbe im All passiert, stehen sie ebenfalls über dem Gesetz. Bringen wir sie nach Usbekistan, foltern wir sie dort! Das ist ein so unglaublich bizarres Konzept für ein Land, das sich unheimlich viel auf diesen mystischen Bullshit einbildet, den es „Rechtsstaat“ nennt. Was kommt als nächstes? Vielleicht ein Gefangenenlager auf dem Mond? Der Song handelt aber auch von dem Schauspieler Jack Lemmon - dem Menschen, der er war, und den Filmen, die er in den Siebzigern gedreht hat, wie Das China Syndrom und Vermisst … er stand für das Amerika, das wir respektierten. Da ist die Textzeile „Oh my God! I sound like a liberal!“ - sie soll dem Ganzen ein wenig Humor verleihen. Dieses Album ist ernst. Aber es ist wichtig, dass ich sage: „It’s only me talking… what does it matter?“ Wenn man es versteht, versteht man es. Wenn nicht, dann nicht.

I’m Just A Patsy ist ähnlich. Seit This Is My Truth Tell Me Yours hat niemand mehr unseren Sinn für Humor zur Kenntnis genommen. Wenn man Erfolg hat, kann man leicht mürrisch und ernst werden, und das gilt ganz klar auch für uns. Aber wer uns als Menschen kennt … man braucht sich doch nur anzusehen, was für Klamotten wir auf der Bühne anhaben! Ich kann mir allerdings vorstellen, dass die Leute glauben, wir hätten keinen Humor, weil wir am Anfang so bizarr und lächerlich waren, dass wir uns alles herausnehmen konnten.

Imperial Bodybags handelt ebenfalls von Amerika. Wir stellen die Amerikaner gern als dümmliche, evangelistische Idioten hin, und das ist nicht fair. Der Song handelt also vom Offensichtlichen - wenn ein amerikanischer Soldat aus dem Irak im Sarg nach Hause kommt, trauert seine Familie so sehr wie jede andere. Nicht jeder ist ein amerikanischer Idiot. Der Song handelt auch von der Ermordung der russischen Zarenfamilie durch die Bolschewiken. Mein halbes Leben lang habe ich geglaubt, dass diese Hinrichtungen eine gute Sache waren. Aber wenn man älter wird, wird einem auf einmal bewusst, dass im Grunde nur ein Übel an die Stelle eines anderen getreten ist. Und der Song ist purer Rockabilly … „Brand New Cadillac“ und „Runayway Boys“ von den Stray Cats.

Außerdem haben wir ein Stück von John Lennons Working Class Hero als versteckten Track aufs Album genommen. Als ich meine Soloplatte aufnahm, habe ich mich ziemlich für die Plastic Ono Band begeistert. Dieser Song ist ein geistreicher, sardonischer, genialer Text mit drei Akkorden, ganz einfach zu spielen. Und er erschien uns wirklich passend. Es gibt nicht mehr viele Bands, die aus der Arbeiterklasse kommen, weil heute in Großbritannien weniger Klassenbewusstsein herrscht. Vielleicht ist das eine gute Sache. Aber der Song passte einfach ins große Schema.

Indian Summer handelt von dem, das die Manics hoffentlich haben. Das ist im Grunde der Sinn der Sache. Es macht wenig Sinn weiterzumachen, wenn uns gerade dieses Element fehlt. Unsere Karriere ist brillant verlaufen, aber vor allem sind wir wirklich gute Freunde geblieben, was sehr selten im Rock’n’Roll ist. Dieser Song hat den gleichen Beat wie A Design For Life; ich glaube, wir sind die einzige Band, die diese Art Walzer spielt. Der Text ist fröhlich und munter und dreht sich eigentlich um Freundschaft … ziemlich untypisch für die Manics, weil wir Dinge wie Stolz und Freundschaft hassen … das ist so typisch Bono.

Aber unsere Freundschaft hat uns durch vieles hindurch geholfen, und das bedeutet uns einiges. Wenn wir drei zusammen sind, entsteht ein Gefühl, das wir nirgendwo anders finden. Wir können sagen was wir wollen - keiner von uns nimmt dem anderen etwas übel oder nimmt etwas allzu ernst, wir bringen die Dinge gemeinsam ins Reine. Wir setzen uns hin, reden oder reden nicht, sehen zu, lesen, hören zu. Das ist schön.

Auf dieser Platte versucht James wieder einmal möglichst viele Wörter in eine einzige Zeile zu quetschen, aber ich habe keine Rücksicht auf ihn genommen. Bei Send Away The Tigers ist er schon ganz atemlos, als er beim Refrain ankommt. Früher habe ich mir Sorgen gemacht, ob mein Text gehört und verstanden wird. Sogar ziemlich viele Sorgen. Letztendlich war das nicht gut, denn wenn wir uns keine Gedanken machen, kommt dabei so etwas wie ‚If You Tolerate This Your Children Will Be Next’ heraus - weltweit unser größter Erfolg. Und es ist wirklich absolut unmöglich, diese Platte zu verstehen.

Gewisse Dinge haben eine Essenz, die man nicht begreifen kann. Vielleicht ist das der Grund, warum wir uns auf Send Away The Tigers dazu entschlossen haben, uns nicht für das zu schämen, was wir gut können.

(Quelle: Verstärker)


FORMAT: CD


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