Anfang des Jahres hat die National Geographic Society unter dem Namen Nat Geo Music ein eigenes Full-Service-Label aus der Taufe gehoben, um mit der Kraft der Musik ein Bewusstsein für die Belange des Planeten zu schaffen. Insofern war es also nur eine Frage der Zeit, bis man dort auf die naturgewaltige Kraft von Forro In The Dark aufmerksam wurde, einem vierköpfigen Musiker-Kollektiv aus New York.
Mauro Refosco (Zabumba-Drums und Vocals), Davi Vieira (Percussion und Vocals), Guilherme Monteiro (Gitarre und Vocals) und Jorge Continentino (Pifano-Flöte, Saxofon und Vocals) sind allesamt Auswanderer aus dem Nordosten Brasiliens und haben die musikalische Spielart namens Forró von dort ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten importiert – ein ländliches, abgedrehtes und tanzflurfüllendes Genre, dessen traditionellen Sound sie auf ihrem vorliegenden Album nun ins 21. Jahrhundert katapultiert haben.
„In Brasilien bedeutet Forró wörtlich genommen ‚Party’“, erklärt Mauro. „Es geht darum, sich zu treffen und eine gute Zeit zu haben. Oberstes Ziel ist immer, die Leute zum Tanzen zu bringen.“ Und genau das ist es, was sich Forro In The Dark seit jeher auf die Fahnen geschrieben haben. Bester Beweis dafür ist ihr wöchentliches Heimspiel im Club Nublu in East Village, Manhattan, bei dem ihr Name bei jeder Show erneut die ungefilterte Kraft des Forró mit der urbanen Coolness New Yorks verschmelzen lässt und sie im Zuge dessen zu einer DER Must-See-Bands der Stadt gemacht hat.
Das Grundgerüst im Soundbild des Quartetts besteht aus der Verwendung kurzer Forró-Rhythmen, wie man sie vom Xote, Baião und Arrasta-Pé kennt, und die in Brasilien stets die akustische Hintergrundkulisse eines harten Arbeitstages, einer Party, eines Volksfestes, sprich: des Lebens bilden. Bemerkenswert ist dabei vor allem der Kontrast zwischen lockeren Upbeat-Tunes und der lyrischen Auseinandersetzung mit ernsthaften Themen. Denn Forró-Songs romantisieren auf eine sehr eigene Art das raue und harte Leben in den Halbwüsten der Sertão, und werden gleichzeitig zum Medium migrantischer Melancholie und neuen Taktgeber moderner Gangsterballaden.
„Forró hörst du überall in Brasilien: Auf den Straßen, in Soap Operas, in den Clubs, im Fernsehen – und zwar nicht nur im Südosten, sondern in sämtlichen Ecken des Landes“, berichtet Jorge. „Es ist ganz egal, woher du kommst. Wenn du Brasilianer bist, kennst du Forró. Denn Brasilien IST Forró.“
Und während Forro In The Dark ihre Version von tanzbarer Party-Mucke aufs globale Dorf loslassen, liefern sie ihre Hommage ans Forró-Genre mitsamt seiner textlichen Emotionalität und musikalischen Verspieltheit gleich mit. So wird die instrumentelle Tradition des Gebrauchs von Akkordeons, Zabumba und Triangel, die von großartigen Forró-Künstlern wie Luiz Gonzaga oder Jackson Do Pandeiro in Brasilien etabliert wurde, auf ihrem aktuellen Release „Light A Candle“ gleich mitgeliefert und auf ein neues, zeitgemäßes Level gehievt. Hinzu kommen Jorges Einsatz der Pifano, einer Holzflöte aus dem Nordosten Brasiliens, Guilhermes exaktes Gitarrenspiel und Davis Versiertheit am Timbau, einer Trommel aus Bahia.
„All die traditionellen Forró-Elemente haben wir in unsere Stücke mit aufgenommen, denn diese Tradition ist uns sehr wichtig. Schließlich hat damit alles angefangen“, betont Guilherme. „Dennoch sind wir natürlich auch offen für andere Stile und Spielarten. Aber das ist es eben, was wir an Forró so lieben: Forró eröffnet Räume, in denen deine eigenen Ideen, deine Vorstellungen und deine Kreativität keine Grenzen gesetzt werden.“ Und Mauro fügt hinzu: „Unsere Instrumentierung und unsere Art Songs zu schreiben sind sehr stark mit diesen Traditionen verwurzelt. Aber unsere Umsetzung, unsere Attitüde, unsere Energie – all das kommt definitiv vom Rock’n’Roll. Wir mögen es einfach locker und laut. Vor allem das Leben in New York hat uns sehr dabei geholfen, die starren Regeln des Genres ein wenig aufzubrechen.“
Das Resultat ist ein ganzjährig blühendes Soundgewächs, dessen Kraft vorrangig aus den nährstoffreichen Kreativböden New Yorks und der Sertão durch die starken Wurzeln im Farró bezogen wird, dessen Blüten aber durchaus auch knallbunte Knospen aus Dub, Indierock, Funk, Jazz und Country trägt. Dadurch kreieren Forro In The Dark einen sehr eigenen Groove, der nicht nur global funktioniert, sondern auch noch ungemein sexy ist.
Erwachsen sind sämtliche musikalischen Sprosse der Band auf einer Party im Nublu anlässlich Mauros Geburtstags, als er ein paar Freunde zum Feiern und Jammen eingeladen hat – natürlich im Forró-Style. Und weil das Ganze dermaßen großen Anklang gefunden hat, wurden sie fortan zur wöchentlich aufspielenden Residence-Band des Clubs. Für ihr aufsehenerregendes 2006er-Debüt „Bonfires Of São João“ konnten die Vier tatsächlich bereits so illustre Sangeskünstler wie David Byrne, Bebel Gilberto und Miho Hatori als Gast-Vokalisten gewinnen. Ihr musikalischer Forschungsdrang führte sie im Anschluss daran auf Tour durch die Vereinigten Staaten, Kanada, Europa und Lateinamerika, sodass sie ihre ‚Good Vibes’ über den gesamten Globus verteilen konnten.
Zurück bekommen haben die Vier vor allem Beifall und jede Menge Liebe für ihren innovativen Sound und die energiegeladenen Live-Shows. Dennoch haben sie es trotz all des Trubels geschafft, den Song „City Of Immigrants“ für das mit einem Grammy ausgezeichnete Album „Washington Square Serenade“ von Steve Earl aufzunehmen, gefolgt von der Arbeit an der nicht minder hoch gelobten „Dia De Roda“-EP, die 2008 veröffentlicht wurde.
Doch nun steht endlich ihr zweites Full-Length-Album „Light A Candle“ in den Startlöchern, das in einem sechstägigen Aufnahmemarathon in den New Yorker Flux Studios entstanden ist und von Fab produziert wurde. 13 brandneue Tracks und eine Neuaufnahme des großartigen Songs „Nonsensical“ von der letztjährigen „Dia De Roda“-EP sollten den Hunger nach Mehr der dürstenden Fan-Meute vorerst stillen. Hoffentlich.
Beim Titeltrack „Light A Candle“ haben sich die vier Musiker von einem Neil Young-Stück inspirieren lassen, bei dem es um die Kraft der Hoffnung und Zuversicht in schlechten Zeiten geht. „Wenn man aus einem tief katholischen Land kommt, so wie wir, dann hat das Anzünden einer Kerze auch eine spirituelle Bedeutung. Dem Erleuchten eines Raumes wird bei uns eine große Bedeutung beigemessen. Die Bedeutung des Plattentitels liegt für uns jedoch vor allem darin, dass Musik die Macht besitzt, der Dunkelheit entgegenzutreten und Schlechtes in etwas Positives umwandeln zu können.“
Wie schon auf ihrem ersten Album, haben sich Forro In The Dark auch für „Light A Candle“ ein wenig Unterstützung ins Studio geholt. So veredelt das Brazilian Girl Sabina Sciubba das Stück „Silence Is Golden“ mit einer temperamentvollen und heißblütigen Performance, während der Singer/Songwriter Jesse Harris seine Fähigkeiten auf der reumütigen Katerstimmungsballade „Just Like Any Other Night“ zum Besten gibt. Dass ihr Leben in New York keinesfalls dafür gesorgt hat, ihre dunklen brasilianischen Roots zu verleugnen, kommt vor allem in den beiden Forró-Coverstücken „Saudades De Manezinho“ von Teo Azevedo und „Forró De Dois Amigos“ von Edmilson Do Pífano zum Ausdruck. In Kombination mit solch ausgelassenen Party-Tracks wie „Bandinha“ ist mit „Light A Candle“ nicht nur eine äußerst runde Sache, sondern auch ein mehr als würdiger Nachfolger ihres gefeierten Debütalbums entstanden.
Insofern besteht kein Zweifel daran, dass „Light A Candle noch mehr Scheinwerferlicht auf Forro In The Dark richten und diesen typisch brasilianischen Sound dank Nat Geo Music noch tiefer in die entlegendsten Winkel der Welt transportieren wird.