Booba ist nicht nur der erfolgreichste und bekannteste Rapper Frankreichs, er ist mit Sicherheit auch der kontroverseste. Musikalisch immer zwischen Kommerz und Ghetto wandelnd, schafft es der MC mit senegalesischen Wurzeln wie kein Zweiter, die Massen in seinem Heimatland zu polarisieren.
Ein wenig vereinfacht könnte man sagen, Booba ist der Bushido Frankreichs. Aber das wird Booba kaum gerecht, denn die Formel funktioniert eher umgekehrt: Elie Yaffa, so der bürgerliche Name Boobas, ist ein großes Vorbild und Idol für den deutschen Erfolgs-Rapper. Über Jahre versuchte Bushido Booba für ein Feature zu gewinnen. Aber der hat das stets abgelehnt.
Boobas neues Album ist eine Ansage, die ihresgleichen sucht: Auf den von dem französischen Produzententeam Therapy, sowie von X-Plosive und Ryan Leslie produzierten Tracks tummeln sich Gaststars wie Diddy, Akon und T-Pain. Die Platte wird größtenteils in Miami aufgenommen, Videos in Las Vegas gedreht. Bescheidenheit ist Boobas Sache nicht. Und um noch einen draufzusetzen, nennt er das Album mal eben „Lunatic“. Benannt nach der legendären französischen Crew, die Booba mit seinem damaligen Kumpel Ali in den 1990ern ins Leben rief, die die europäische Rap-Szene nachhaltig beeinflusste und mit deren Album „Mauvais Oeil“ er zum ersten Mal Gold-Status erlangte.
Die Rechnung ging auf: Das Album „Lunatic“ schoss in Frankreich von 0 auf 1 (der Longplayer wurde dort bereits Ende 2010 veröffentlicht) und wird dort überschwänglich abgefeiert.
Zeitsprung: nach der Auflösung der Crew Lunatic macht sich Booba an sein erstes Soloalbum „Temps Mort“. Die Platte verkauft sich 250.000 mal, erreicht Gold-Status. Booba legt nach: sein 2004er Album „Panthéon“ erreicht gar Doppel-Gold und macht Booba zu einem der größten Rap-Stars seit NTM. Danach bringt es der Musiker aus dem Banlieue Boulogne fertig, mit einem Mixtape („Autopsie Volume 1“) auf Platz 2 der Albumcharts vorzudringen. Doch das Ende des Hypes ist lange nicht erreicht. 2006 legt der MC sein bisher stärkstes und kommerziell erfolgreichstes Album vor: „Ouest Side“ erreicht Platin und Platz 1 der Charts. Booba ist auf dem Gipfel angekommen.
Kurze Zeit später wird sein Bruder entführt und soll gegen ein Lösegeld von 500.000 Euro freigepresst werden. Der Polizei gelingt es, ihn zu befreien. Im selben Jahr tritt Booba als Show-Act und erster Rap-Artist in der Fernseh-Show „STAR Academy“ auf, einer französischen Talentshow vergleichbar mit „DSDS“. Kritischen Stimmen aus dem Underground begegnet er sinngemäß mit, „wenn ich nicht da auftrete, denken die Leute französischer Rap wäre so etwas wie Sinik. Das möchte ich verhindern“. Der Anfang einer langen Fehde mit dem Pariser Rapper.
Booba veröffentlicht Teil 2 seines „Autopsie“ Mixtapes und intensiviert den Beef mit dem weißen Sinik, in dessen Verlauf sich beide MCs rassistische Ressentiments vorwerfen. 2008 veröffentlicht Booba sein mittlerweile viertes Studioalbum „0.9“, das wie selbstverständlich wieder mit Gold ausgezeichnet wird.
Booba entfacht Debatten in der französischen HipHop-Szene und darüber hinaus. Der MC, der zwischen Miami und Paris pendelt, hält nicht viel von der Rap-Szene in der République française. Außerdem würden farbige Rapper klein gehalten, ihnen Erfolg missgönnt und gar alles Mögliche getan, um ihn zu verhindern. Gerne weitet er diese Theorie auch auf die gesamte französische Gesellschaft aus. Ein Höhepunkt ist im Dezember 2010 ein Aufsehen erregendes, gemeinsames Interview mit dem geschassten französischen Fußball-Nationalspieler Nicolas Anelka im Blatt „Les Inrockuptibles“, in dem sich beide ganz Staatsfeind Nummer 1 geben. Auch außerhalb der Rap-Szene eckt Booba an. So nennt er zum Beispiel die Ed Banger-Crew um Busy P „armselig“. Doch solange Booba weiterhin State of the art für amerikanisierten Rap aus Europa ist und in diesen Belangen Album für Album einen neuen Blueprint liefert, können ihn alle Diskussionen nichts anhaben.
„…eine überzeugende Full-HD-Projektionsfläche für die Träume der Kids aus der Banlieue… mit »Lunatic« ist er sehr dicht an seiner Vorstellung eines perfekten Streetrap-Albums angekommen“ – Stephan Szillus, JUICE (Album des Monats)