Es gibt im Bayrischen eine Redensart, die derber klingt als sie gemeint ist (tatsächlich gibt es im Bayrischen einige Redensarten, die derber klingen, als sie gemeint sind, aber das ist ein anderes Thema). Wenn es von jemandem heißt, „der scheißt sich nichts“, dann bedeutet das im schlechtesten Fall, dass jener unzuverlässig, wurschtig, vielleicht gar neudeutsch „schmerzfrei“ auftritt und agiert. Im besten Sinn aber sagt man es anerkennend, respekt- und unter Umständen ein wenig neidvoll über einen, der unbekümmert, mit Elan, gefestigtem Optimismus, einer gesunden Portion Selbstgewissheit und der nötigen Prise Frechheit an sein Ding herangeht und etwaige Widrigkeiten erst mal nicht gelten lässt.
Stefan Dettl aus Grassau im Chiemgau scheißt sich im allerbesten Sinn überhaupt gar nichts, und er ist auch einer, der – noch so eine Redensart - „nicht lang umeinander scheißt“. Will heißen: Der zaudert nicht, der lässt nichts anbrennen, der möchte, dass sich was rührt - weil es ihn fast zerreißt vor Kreativität und Musik.
Vor 20 Jahren, mit 9, hat Dettl seine erste Gitarre in die Hand bekommen und seitdem nicht mehr aufgehört mit dem Musikmachen. Zur ersten Liebe Gitarre kam bald die Trompete, die er in den nächsten anderthalb Jahrzehnten in allen Lebenslagen kennenlernte: Klassik, Jazz, Volksmusik(en), sogar im Duo mit einem Dance-DJ stieß Dettl schon ins Horn. Als studierter Trompeter mit Konzertdiplom steht er heute auf der einen Seite mit einem Bein in der Klassik und ist weiterhin zeitweise im heimatlichen Musikverein aktiv. Auf der anderen Seite hat er mit seiner erstaunlichen „europäischen Pop-Tanzband“ (Dettl) LaBrassBanda in den letzten zwei Jahren Blechblasmusik pop- und clubkompatibel oder Pop- und Clubmusik blechkompatibel gemacht. Und nebenbei die bayrische Sprache in Weltregionen gebracht (Simbabwe, Nowosibirsk, Hamburg etc.), in denen sie bislang kaum vernommen oder bislang unter dem Image schwerfälliger Bazi-Tümeligkeit benasrümpft wurde.
Und jetzt also: Rock. Wenn man den Dettl trifft, merkt man ihm seine Quirligkeit gar nicht so sehr an. Immer ist er recht entspannt und mag noch ein Weißbier trinken, aber ebenso immer ist er gerade an irgendwas dran. Und wenn man sich erinnert, dass er neulich mal davon geredet hat, dass er ein Nebenprojekt machen will mit mal was ganz anderem, dann ist heute schon die Platte fertig. Weil einen wie den Dettl eine einzelne Band ja nicht auslastet, weil den Teufelstrompeter zuletzt die Gitarre wieder schwer angelacht hat und weil generell mal wieder was Neues ausprobiert werden will, hat Stefan Dettl mit zwei Spezln - Bassist Stefan Pfeiffer und Schlagzeuger Tobi Weber, zwei „funky Musikhochschulabsolventen in Spiellaune“ (Dettl) - eine Rockband gegründet. Wenig später ist dann noch der Gitarrist Fabian Jungreithmayr als Österreicher allein unter Bayern dazu gestoßen und bei Konzerten schon gar nicht mehr wegzudenken. Nirvana, Foo Fighters, Sweet, Kiss und The Police nennt der Chef, der alle Songs selber geschrieben hat, als Vorbilder, aber auch Quincy Jones, weil: ein Groove muss dabei sein. „Mir san a Liveband“ ist das Selbstverständnis.
Und, wie gesagt, jetzt ist die Platte fertig. Kommt am 4. Februar raus und heißt – fast möchte man sagen: heißt natürlich – ROCKSTAR. Weil, wenn der Dettl Stefan eine Rockplatte macht, dann heißt die ROCKSTAR. So einschichtig, wie das große Wort suggeriert, geht’s darauf aber beileibe nicht zu. Vom kracherten Drei-Akkorde-Gerät „Liveband“ bis zur zart-intimen Akustikballade haben die drei so einiges da.
Das Titelstück, das vorab als Single erscheinen wird, rockt mit einem sehr breiten Grinsen in Richtung Pop. „Hod si mi“ bezirzt mit einem geheimnisvollen Akustik-Groove für die mondhelle Sommernacht. Der „Mexican Gringo“ hat einen wehmütigen Refrain und eine Träne im Knopfloch. Bei „Drahn“ wird sogar gerappt (aber gottlob kein „Crossover“ dazu gespielt, soviel nur zur Entwarnung). Und ja: Da ist auch mal ein Lied mit Bläser-Klang wie das sonnige „Vorbei geh“. Aber vor allem hält sich Dettl an seine Gitarre. Die spielt er, wenn schon nicht so virtuos wie die Trompete, so doch „mit gleicher Leidenschaft“. Sagt er. Und freut sich wie ein Bub, dass er mit dieser Platte der wohl erste bayrischsprachige Labelkollege von Elvis Presley und David Bowie auf RCA ist. Dass bei Stefan Dettl auch solo Bayrisch gesungen wird – und zwar so kompromisslos unverfälscht und mundartig sich in die Musik schmiegend, dass es mitunter wie eine völlig neue exotische Sprache klingt - ist dabei nicht Programm oder gar Masche, sondern einfach normal. Und auch ganz und gar kein Hinderungsgrund für ihn, als Wirkungsbereich des Trios einfach mal „die ganze Welt“ zu veranschlagen. Ja, jetzt lachen Sie. Aber wenn einer so viel drauf hat und sich so wenig scheißt wie der Dettl Stefan, dann ist tatsächlich alles möglich. Josef Winkler, Palling, Oktober 2010