Ohne Elektrizität in Nord-Kalifornien aufgewachsen, hat sich Brisa Roché bereits als Kind am abenteuerlichen Künstlerleben ihrer Eltern orientiert. Kein Wunder also, dass sie mit 16 Jahren kurz entschlossen ihre Gitarre nahm und ihrem Hippie-Zuhause den Rücken kehrte, um die glorreichen Tage von Grunge live in Seattle vor Ort mitzuerleben. Dort tauschte sie ihre Akustik-Gitarre irgendwann gegen eine elektrische ein, ließ sich von PJ Harveys „Dry“-Album inspirieren und erinnerte mit ihrer Art zu singen ein wenig an die junge Joni Mitchell. Einige Emo-Pop-Projekte, ein Jahr in Europa, sowie viele Kollaborationen und Kompositionen später, war Brisa Roché dann auf der Suche nach einer Stimme, die nicht mehr ganz so viel Klarheit versprechen und stattdessen vor allem ihren Erfahrungen der letzten Jahre Rechnung tragen sollte.
Der Tod ihres Vaters inspirierte Brisa dazu, sich der Welt des Jazz hinzugeben. Sie zog nach Paris und fand sich nach einiger Zeit in der Rolle einer Bandleaderin und Frontfrau wieder, die 5 Tage die Woche in den „Caves“ von St. Germain mit ihrem grandiosen Improvisationstalent zu obskuren Jazz-Standards performt. Sie wuchs mit jedem Gig über sich hinaus und wurde bald von dem ehrwürdigen Label Blue Note Records entdeckt. Anstatt sich dort weiterhin der Verwundbarkeit ihres eigenen Songwritings hinzugeben, konzentrierte sie sich stattdessen auf das intensive und universelle Gefühl von Freiheit, das der Jazz ihr zu vermitteln imstande war. Kein Wunder also, dass sie von Blue Note entdeckt wurde. Dort veröffentlichte Brisa ihr hochgelobtes Debütalbum „The Chase“, voll mit ihrer extravaganten Version von Pop.
Ihr zweites Album „Takes“ fügte dem Ganzen noch mehr 60ies Psychedelia und ein leicht zugängliches Folk-Element hinzu, inklusive der Gast-Akkorde von Nick Zinner von den Yeah Yeah Yeahs. Das Album wurde in Frankreich ein großer Erfolg, aber auch in Deutschland gab es ein beachtliches Echo und ausverkaufte Konzerte. Nach einer 60-Tage-Tour fasste Brisa dann den Entschluss, sich fortan selbst zu produzieren. Sie schnappte sich ihre Band, tauchte eine ganze Weile in Kalifornien unter, und jetzt ist sie wieder zurück: Im Gepäck ein erstaunlich kompaktes drittes Album mit bemerkenswerten Lyrics, geradezu Blondie-esken Refrains und einem Band-Sound, der fast schon an Garage erinnert – „All Right Now“.
Brisa Roché über „All Right Now“:
“Umgeben von meiner Band in einem abgelegenen solarbetriebenen kalifornischen Studio, bin ich in meinen „electric-blue“ Mokkasins an den Füßen und einem Mikrofon in der Hand herum getanzt wie ein Vorschüler. So muss man sich die Produktionsphase von ‚All Right Now’ in etwa vorstellen.
Nach der Europa-Tour zum ‚Takes’-Album sind wir alle zu meinen Eltern aufs Land gefahren, wo ich mir in einer kleinen Hütte ein gemütliches Studio eingerichtet habe. Eine Woche später hatten wir bereits 20 neue Songs zusammen. Wir haben musikalisch viel improvisiert und uns einzig und allein vom Spaß an der Sache und der Limitierung leiten lassen, die die eingeschränkte Stromversorgung mit sich gebracht hat. Das alte Keyboard lief nämlich nicht mit dem Solarstrom, sodass wir das Yamaha 2002 von meiner Schwester benutzen mussten – zuerst nur mit Widerwillen, bis wir von dessen emotionalem 80er-Jahre-Sound irgendwann vollkommen hingerissen waren. Viele Flüge und Zugfahrten später saßen wir dann in einer alten Backsteinkirche von 1869 im Hinterland von New York, wild entschlossen und bereit, endlich das Album aufzunehmen. In dieser Kirche hat nämlich niemand Geringerer als Henry Hirsch sein neues Studio eingerichtet, der bereits am Feinschliff für Platten von Madonna, Lenny Kravitz und Mick Jagger verantwortlich war. Dort haben wir dann alle zusammen gespielt, inmitten bemalter Bleiglasfenster auf einer überwölbten Kirchenbühne, an der man eigentlich die Kanzel vermutet hätte, während Henry uns über seinen 3M 24 Track-Recorder auf 2-Inch Tape aufgenommen hat.
Die Platte, die dort entstanden ist, ist die vertonte Liebesgeschichte unserer Band. Sie beschreibt voll und ganz unsere philosophisch-animalische Verbundenheit, die wir nach all der gemeinsamen Zeit auf Tour und im Studio erlangt haben.
Sie fasst all das Glück, das ich empfunden habe, als ich nach der Tour alle zu mir nach Hause eingeladen habe, zusammen. Wir waren so unbeschreiblich zufrieden, haben gelebt, geschrieben und gespielt, halbnackt, in der Abgeschiedenheit von Nordkalifornien. Es gibt dort mehrere Betten, inklusive eines im Baumhaus, in denen wir immer abwechselnd geschlafen und geträumt haben, sodass jeder auch mal in den Genuss der einzigen guten Matratze kam. Um Wasser zu sparen, habe ich Namensschilder, die im Dunkeln leuchten, an die Handtücher und Servietten geheftet, und gewaschen haben wir uns im Fluss, im Teich oder unter einer aufgehängten Solardusche. Meine Kindergartenfreundin Leona hat fast jeden Tag wunderbares kalifornisches Essen auf der Kochstelle im Garten zubereitet. Unser Tour-Manager Gregon kam vorbei, um den Garten meiner Eltern zu wässern, während wir gearbeitet haben, hin und wieder hat er uns außerdem brasilianischen Eintopf gekocht und Chocolate-Chips-Muffins gebacken. Wir haben sogar versucht, uns mit Hilfe verschiedener Kräuter auf eine Art Drogentrip zu begeben, was allerdings keine ernsthafte Wirkung gezeigt hat – außer der Tatsache, dass unsere mönchsähnlichen Stimmen plötzlich wunderbar miteinander harmoniert haben. Es geht eben doch nichts übers Highsein von der eigenen Inspiration.
Unsere Amps waren natürlich immer voll aufgedreht. Wir hatten die Sonne, wir hatten uns, und wir hatten unsere gemeinsame Kreativität. Ich habe in meinem Fünfzigerjahre-Baumwollnachthemd vor meinem solarbetriebenen Mac und Protools gesessen, bis wir irgendwann 14 Demo-Songs fertig hatten, die nachher das Album ‚All Right Now’ ergeben sollten. Erst dann haben wir die Einöde wieder verlassen und sind in die Zivilisation und in die Stadt nach Arcata zurückgekehrt.
Eigentlich sollte ich noch viel mehr über diese Kirche erzählen, denn alles fühlte sich dort so übernatürlich und unwirklich an. Vor allem, nachdem wir während des Songwriting-Prozesses inmitten der Natur so intensiv zusammengelebt hatten, und uns plötzlich in dieser völlig anderen, aber mindestens genauso grandiosen und außerweltlichen Kulisse wiederfanden. Ich meine: Gotische Kirche. Aufgeheizt auf über 30°Grad. Tag und Nacht. Live-Aufnahmen auf Tape. Bunte Lichtstrahlen. All das zusammen gespielt, was wir im Vorfeld zusammen geschrieben hatten. Das war einfach Wahnsinn!
Eins möchte ich jedoch betonen: Wir glauben nämlich, dass ‚All Right Now’ einen eigenen Kopf entwickelt hat – im spirituellen Sinne. Die Musik selbst ist mehr Vorschul-animalischer Garage-Disco-Psycho-Pop und weniger ernsthaft, als die Kirchen- und Natur-Kulissen vielleicht vermuten lassen – aber dennoch, oder gerade deswegen, auch ungemein emotional.
Ich glaube, ‚All Right Now’ erzählt seine eigene Geschichte. Eine Liebesgeschichte. Zwischen drei Jungs, zwei Mädchen und der Welt.“