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Ein Platte, die so anfängt, macht schon mal klar, was sie nicht ist: Kein modisch aufgebretzelter Schlagerpop, kein postmoderner Befindlichkeitsrock und keine wie auch immer geartete Anleitung zum Anti-Lifestyle-Lifestyle. Stattdessen: TREND. Ziemlich auf den Punkt gebrachte Uptempo-Gitarrenmusik, krachig, rotzig mit Texten, die mehr verwirren als verwöhnen. Die eingeschworenen Nerds unter den Indie-Hörern sind TREND wahrscheinlich schon begegnet, in irgendeinem schmuddeligen Punkrock-Club in der Provinz, in einem zentralen Kellergewölbe der Großstädte oder beim Tonträger-Händler ihres Vertrauens. Denn Vier ist bereits das dritte Album im TREND-Setting, und wer die Vorgänger Das Produkt und Navigator mal an den Ohren hatte, der wird aufhorchen, denn TREND gelten zu Recht als unberechenbar und zu allem fähig.
Wo immer TREND erscheinen, provozieren sie jedenfalls angeregten Diskurs, der ja zur Lieblingsbeschäftigung der Poptheoretiker gehört. So wird Das Produkt und die Navigation zur Orientierung gedreht und gewendet und von allen Seiten betrachtet, und am Ende kommen alle zu einem ähnlichen Ergebnis: Irgendwie ist das Punk, aber auch was ganz anderes. Kommt man mit diesem Bezugsrahmen denn weiter, wenn es um TREND geht? Alle sagen „nein, eigentlich nicht“ und dann werden als Eckdaten Fehlfarben und sogar Gang Of Four angeführt (letzteres vor allem wegen einer herrlichen Hommage „Mann in Uniform“). Das alles stimmt genauso, wie es wieder nicht stimmt, und die Verwirrung bleibt. Ist das schon politisch? Wir wissen es nicht.
Etwas Gedrucktes hat doch mehr Substanz, im Spiegel erscheint eine Oase, gegen Kritiklosigkeit kann man letzten Endes gar nichts tun. (Fräulein vom Amt)
Klar ist: TREND „lebt und atmet, brüllt und zappelt, verheddert sich und kämpft sich wieder frei“, wie Nagel, Sänger und Gitarrist von Muff Potter es mal so schön gesagt hat. Das gilt auch für Vier, das mit 12 Songs einmal die kollektive deutsche Wirklichkeit rauf- und runterrutscht und Identität zugleich zwischen allen Stühlen verortet. Tja, wenn der Problembär gar kein Problem wär, ein Butterberg ein Meisterwerk... (Der Problembär).
Leicht macht es Sänger und Texter Fezer seinem Publikum nicht, den Kern seiner Botschaften zu entdecken, aber er sorgt mit zuweilen herrlich leuchtenden Texthooks dafür, dass ein Einstieg in die TREND-Textwelt eine kurzweilige Angelegenheit ist. Man muss ja auch nicht alles sofort verstehen, und schon gar nicht beim ersten Mal. Irgendwann wird sich die Bedeutung eines Songs, den man gedankenlos vor sich hinsummt, schon von selbst entfalten. Auf jeden Fall „geht es schon immer um etwas Konkretes in Fezers Texten. Er dreht es dann durch seinen Fleischwolf, und am Ende kommt etwas ganz Vertracktes dabei heraus“, so Gitarrist Peter. Noch mal Nagel: „Diese Band klingt auf angenehme Weise wie sie aussieht: ungestylt und auch ein bisschen wahnsinnig. Wahnsinnig nicht im Sinne von kultigen Tarantino-Roadmovies, sondern a la westdeutsche Kleinstadttristesse im 21. jahrhundert. Es geht um Beobachtung statt Gefühlsduselei, um Alltag statt Glamour. Es geht um Anschreien gegen die Eintönigkeit, nicht um crazy Haarstyling. Es geht um Energie und um eine gute Portion high quality Danebenbenehming.“
Nein, TREND eignen sich nicht als Soundtrack einer neuen Lifestyle-Bewegung. Dafür sind sie schlicht zu sperrig, verweigern sich zu sehr der leichten Verdaubarkeit und sind auf ihre ureigene Art zu radikal. Was sie auszeichnet, ist ihre D.I.Y.-Ästhetik, die wahrscheinlich zu ihrem nachgesagten Punk-Image geführt hat. Heißt: Sie machen alles selbst. Songs schreiben, Aufnehmen, Produzieren, Artwork.
Zwei Jahre zogen sich die Aufnahmen zu Vier hin, auch weil TREND lernen mussten, über große Distanz zu arbeiten, seitdem Gitarrist Peter aus der Pfalz nach Berlin gezogen ist, die restlichen Mitglieder aber noch in Mainz und Landau leben. „Dadurch können wir zwar nicht mehr so spontan proben wie früher, aber unserem Songwriting hat es sehr gut getan“, so Peter. Dementsprechend sind die Songs von TREND strukturierter geworden, hier und da etwas vertrackter, aber ohne die zugrundeliegende Wut und Aggression verloren zu haben. Aber auch wenn man es kaum glauben mag: Vier ist das Produkt langer Auseinandersetzungen in der Band. Denn da wird viel diskutiert, gestritten, gebrüllt – bis alle sich geeinigt haben, dass das Beste das Beste ist, und gut ist ein TREND-Song, „wenn wir ihn alle mögen“, so Peter.
Die Basics entstanden in Berlin unter der Aufsicht von Gitarrist Peter Lattermann, der das gesamte Album selbst produziert hat. Zunächst wurden Schlagzeug und Bass komplett analog auf Bandmaschine aufgezeichnet („immer noch der beste Weg zum guten Sound“ [Peter]), dann digitalisiert, auf Laptop übertragen und dann nach Landau geschleppt, wo Fezer seinen Gesang raufgesetzt hat. Gitarren und Bässe entstanden in Berlin und Landau, wo einige Freundinnen schnuckelige Girls-Chöre beisteuerten, abgemischt wurde das Ganze dann wieder in Berlin. Das Artwork stammt von Basser Boris, der als leidenschaftlicher Grafiker bereits die meisten Verpackungen der Band-Produkte auf die Beine stellte.
Mit Prinz von Homburg leisteten sich TREND im letzten Jahr bereits einen kleinen Vorab-Clubhit. Die limitierte 7-Zoll Vinyl-only enthielt neben dem Titeltrack, der sich natürlich auch auf Vier findet, auch den Song Das funktioniert, das Artwork entwarf das kanadische Künstlerkollektiv Seripop. Draußen (wie man so schön sagt) kam die Single sehr gut an. „Melodisch, groovy und mit funky Gitarrenlauf, erinnert an die guten alten Radio 4 ...“, wie auf flight13.com zu lesen war.
Seit 2001 firmiert das Quartett unter dem Namen TREND, aber die Anfänge reichen gut zehn Jahre davor zurück. Damals spielten Stolle und Peter zum ersten Mal zusammen und hoben im Umfeld von Steve Albini und Shellac, die man über erstaunlich kurze Umwege kennenlernte, eine Noise-Core-Kapelle mit komplexen Songstrukturen aus der Taufe. Kurz vor der Jahrtausendwende ging es dann zurück zur Einfachheit, sprich: zum vom Herzen kommenden Direktrock schwedischer Gitarrenbands wie Hellacopters. „Das war aber bald zu abgegriffen“, erklärt Peter. TREND zeigte dann den Weg, der musikalisch im Bandgefüge perfekt funktionierte: Deutsche Texte, direkte Energie, aber auch der Wille zu mehr Subtilität und ausgefeilterem Songwriting. Diesen Weg gehen sie heute noch, und es ist alles andere als Ironie, wenn Peter behauptet, dass man von Bands wie Steely Dan und aus Fleetwood Macs Rumours immer noch viel lernen kann...
Fezer - Gesang
Peter - Gitarre
Boris - Bass
Stolle - Schlagzeug
Diskografie
2003: Das Produkt (CD/LP)
2004: Gott Hat Keine Flugzeuge (7“)
2005: Navigator (CD/LP)
2005: Patientenverfügung (7“)
2007: Prinz von Homburg (7“)
2008: Vier (CD/LP)
(Quelle: Warner Music, 2008) FORMAT: CD
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