Als die Kings Of Leon im April 2007 mit „Because Of The Times” ihr drittes Album veröffentlicht hatten, ließ sich das US-Magazin Entertainment Weekly nicht lumpen und adelte das Werk vorbehaltlos mit dem Prädikat „Glanzleistung”, der (US-)Rolling Stone fragte sich gar: „Wie gut können die Kings Of Leon eigentlich noch werden? Sie haben bereits jetzt alle Erwartungen übertroffen.”
Und in der Tat: Die Veröffentlichung des Follow-Ups zum aufgekratzten Debütalbum „Youth And Young Manhood” (2003) und zum Nachfolger „Aha Shake Heartbreak” (2005) sollte sich für die Band als Schlüssel-Veröffentlichung erweisen, die alles verändern würde. Der Longplayer wurde für die Followills (die aus Tennessee stammenden Brüder Caleb, Nathan und Jared plus Cousin Matthew) auf der ganzen Welt zu einem alles überragenden Erfolg. In den USA gelang es dem Quartett, die berühmte Radio City Music Hall in New York und das Greek Theatre in Hollywood auszuverkaufen. In Großbritannien waren sie jüngst Headliner des legendären Glastonbury-Festivals, sowie des Oxygen Festivals in Irland. Die 20.000 Tickets für ihr bevorstehendes Konzert in der Londoner 02 Arena, Ort des diesjährigen Led-Zeppelin-Reunion-Konzerts, waren in weniger als einer Stunde ratzfatz weg.
Auch in den Charts machte sie die gestiegene Popularität des Quartetts bemerkbar: Hatte der Erstling gerade mal an den Top 50 der deutschen Albumcharts und den Top 100 der US-Hitliste gekratzt, so erreichten Kings Of Leon mit dem dritten Album in ihrer Heimat erstmals die Top 30, in Deutschland peakte „Because Of The Times“ sensationell auf Position 32. Selbst in Großbritannien, wo die stark von Blues, Country, Southern- und Garage Rock geprägte Musik des Familienunternehmens seit jeher mit Abstand am populärsten ist (und die Band bereits ein gutes halbes Dutzend Top-30-Hits landen konnte), war nach zwei Top-3-Platzierungen mit den ersten beiden Alben sogar noch eine Steigerung möglich: „Because Of The Times“ schoss sofort nach Veröffentlichung von 0 auf 1 der UK-Charts.
Nachdem Kritiker „Because Of The Times” als „das Werk einer Band auf dem Höhepunkt ihrer Schaffenskraft” bezeichnet hatte, darf man jetzt gespannt sein, welches Vokabular ihnen aus dem Füllfederhalter strömt, wenn sie erst einmal „Only By The Night” gehört haben, das am 19. September 2008 erscheint. Das Album knüpft genau dort an, wo „Because Of The Times” endete und bringt die Band auf ihrem unbeirrbaren Weg, eine der weltbesten Rockbands aller Zeiten zu werden, ein gutes Stück voran.
„Nach drei Platten und fünf Jahren auf Tour wussten wir genau, wozu wir fähig sind“, sagt Drummer Nathan, „wir mussten also lediglich unserem Instinkt folgen. Aber wir wollten mit unserer Musik auch ein neues Niveau erreichen. Man will ja immer, dass die nächste Platte besser ist als die letzte. „Es wird nie passieren, dass wir eine Platte machen und nicht versuchen werden, den Vorgänger zu übertreffen“, ergänzt Frontmann und Texter Caleb.
Und das ist ihnen gelungen: Mit seinen großartigen Melodien, brillanten Gitarrensounds und rasiermesserscharfen Grooves lösen die Kings Of Leon mit „Only By The Night“ sämtliche Versprechen ein und erfüllen alle Erwartungen, die die Band in ihrer bisherigen Karriere bei Fans und Fachwelt geweckt hatte. Von der trostlosen Atmosphäre des Album-Openers „Closer“ (das laut Caleb von einem liebeskranken Vampir handelt) bis zur emotionalen Intensität der Abschluss-Ballade „Cold Desert“ („ein Stück über einen Man, der mit seinen Kräften am Ende ist, sich aber aus eigener Kraft wieder aufrafft“) ist „Only By The Night“ von der ersten bis zur letzten Sekunde Herz pur.
Zu den Highlights des Albums zählen u.a. die beharrlich vor sich hintuckernde erste Single „Sex On Fire“ („In unserer Musik war schon von jeher ein ‚Sex-Element’. Also dachte ich mir, ich packe das diesmal alles in einen Song und dann ist das Thema für den Rest des Albums abgehakt“, scherzt Caleb), das treibende „Crawl“ (ein Song über Beziehungen aller Art und warum man sie als selbstverständlich erachtet) und das rauschhafte „Use Somebody“, das Caleb auf Tour schrieb, als er sich einsam fühlte. „Es handelt davon, weit weg von zu Hause zu sein“, erklärt er. Dann gibt’s da noch das euphorisierende „Manhattan“, ein Song, der sich zu etwa gleichen Teilen mit den Themen Tanzen/Hedonismus und dem Überlebenskampf der Ureinwohner Amerikas beschäftigt. „Manhattan ist ein Wort aus der Sprache der Ureinwohner Amerikas und bedeutet ‚Insel der vielen Hügel’“, erklärt Caled, dessen eigener Familienstammbaum bis zu ebendieser Bevölkerungsgruppe zurückreicht. Darüber hinaus findet sich auf „Only By The Night“ das drängende, energische „Notion“, in dem der Sänger allen beherzt eins mitgibt, die es wagen, irgendetwas gegen irgendjemanden in der Band zu sagen.
Calebs Sinn für Abgrenzung ist kaum verwunderlich – besteht die Band doch komplett aus Verwandten. Dieser familiäre Vibe bestimmte auch das Aufnahme-Set-Up: für die Arbeiten an „Only By The Night“ kehrten die Kings Of Leon im April 2008 ins Blackbird Studio nach Nashville zurück, wo sie gemeinsam mit ihrem langjährigen Produzenten Angelo Petraglia und dem ortsansässigen Produzenten und Engineer Jacquire King, der bereits „Aha Shake Heartbreak“ abgemischt hatte, an den Songs schraubten. „Angelo achtet darauf, dass es Spaß macht und eine jugendliche Atmosphäre herrscht“, sagt Nathan. „Er und Jacquire waren cool genug, uns zu sagen, wann wir aufhören sollten, ‚Wall Ball’ zu spielen und mit etwas mehr Ernst bei der Sache zu sein, anstatt extrem streng aufzutreten und uns einzuschüchtern. Das nahm uns ziemlich den Druck.“
Petraglia und King ermutigten Familie Followill auch darin, den experimentellen Kurs weiter zu beschreiten, den die Band mit „Because Of The Times“ eingeschlagen hatte. Den Musikern sollte die Freiheit gewährt werden, die es ihnen ermöglichte, alle ihre Ideen auszuprobieren. „Wir konnten uns richtig hinein vertiefen und sehr viel spielerischer mit der Produktion umgehen“, erklärt Caleb. „Wir wollten uns auch selbst etwas beweisen. Außerdem müssen wir bei Aufnahme-Sessions auf den Putz hauen können, uns ein paar Drinks genehmigen und entspannen.“ „Man hört der Musik an, dass wir uns wohl gefühlt haben“, ergänzt Nathan.
„Für meine Ohren klingt das Album, als seien Kings Of Leon nicht nur als Band wieder da, sondern auch als Freunde“, findet Caleb. „Jeden Abend gingen wir nach den Aufnahmen zusammen in eine Bar, hingen rum und sprachen darüber, was wir am nächsten Tag machen würden, anstatt uns zu trennen und einzeln nach Hause zu gehen. Es war eine sehr familiäre Atmosphäre. Daher auch der Albumtitel. Es ist gleichzeitig eine Referenz an ein Gedicht von Edgar Allan Poe, und es hat fünf Silben – wie alle unsere Albumtitel.“
Caleb schrieb die meisten Texte und Melodien für „Only By The Night“ während einer Auszeit, die er sich im Anschluss an eine Schulteroperation nehmen musste. „Ich habe das Gefühl, die Schmerztabletten haben ihn etwas mehr inspiriert als ihm bewusst ist“, schmunzelt Nathan. „Er spielte uns einmal einen Song vor und wir fragten: ‚Wann hast du das geschrieben?’ und er sagte: ‚Ich kann mich gar nicht daran erinnern, es überhaupt geschrieben zu haben. Ich bin aufgewacht, neben mir eine leere Weinflasche und mein offenes ‚Songbook’, in dem diese Worte standen.“ Dazu Caleb: „Diese Pillen geben dir ein angenehmes Gefühl. Ich denke, viele gute Melodien sind daraus entstanden und aus der Tatsache, dass ich mich mehr öffnen konnte.“
Einen großen Einfluss hatten auch die Erfahrungen, die die Band bei ihren Auftritten in großen Konzert-Arenen machte, sowohl auf ihrer eigenen „Because Of The Times“-Tour, als auch im Vorprogramm von U2 und Bob Dylan (2005), sowie Pearl Jam (2006 und 2008). „Wir wollten Songs, die in einer 15.000-er-Halle gut klingen und trotzdem jene Intimität haben, dass sie auch bei einer Clubshow vor 300 Kids funktionieren“, sagt Nathan. Kein Zweifel: Den Followills war klar geworden, dass es an der Zeit war, sich über die eigenen Ambitionen bewusst zu werden und dass sie auch über die Fähigkeiten verfügen, diese Zielvorgaben umzusetzen.
In Calebs Gesang ist der tief empfundene Schmerz und die Verletzlichkeit auf „Only By The Night“ weit mehr zu spüren als jemals zuvor. „Ich wusste, es war ein Risiko, ins Studio zu gehen, ganz aus mir heraus zu gehen und die Songs so zu singen wie ich es eigentlich kann; so wie ich gesungen habe, als ich noch jünger war“, sagt er. „Ich habe meinen Gesang so lange zurückgehalten, weil mich der Gedanke nervös machte, dass die Leute auf meine Texte hören und denken, ich sei nicht intelligent, weil ich aus Tennessee komme und mich dann deswegen fertig machen. Deshalb habe ich so gesungen wie ich es tat. Aber als es an das neue Album ging, wusste ich, dass die Melodien, die wir spielen, viel zu schön sind, als dass ich sie verhunzen darf. Ich musste also alles geben.“
„Letztendlich kamen wir an einem Punkt, wo wir begriffen dass wir entweder als eine Band in die Musikgeschichte eingehen, die drei Alben lang Vollgas gegeben hat, oder als eine Band, die smart genug war zu begreifen, dass es nicht viele Bands gibt, denen es überhaupt vergönnt ist, vier Alben raus zu bringen. Also beschlossen wir, das Maximale aus der Sache rauszuholen“, sagt Nathan. „Denn mal ehrlich: wir waren ziemlich lausige Fassadenmaler – und genau das wäre heute noch unser Job, wenn wir nicht Musik machen würden.“
Kings Of Leon:
Caleb Followill - Lead Gesang, Rhythmus Gitarre
Jared Followill – Bass
Matthew Followill - Lead Gitarre
Nathan Followill - Schlagzeug