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CD-DETAILS THE SELDOM SEEN KID [ELBOW]

Elbow

The Seldom Seen Kid [Rock / Alternative]


RELEASE: 18.03.2008


LABEL: Polydor

VERTRIEB: Universal

WEBSITE: www.elbow.co.uk

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Guy Garvey gäbe einen guten Dichter ab. Keinen dieser bebrillten Intellektuellen, die mit Fistelstimme gesteltzte Worttürme errichten, sondern eher die Fauser- oder Bukowski-Fraktion, einer dieser rough-guys, die nicht in Buchhandlungen lesen, sondern in Clubs, in denen normalerweise Rockbands spielen. Dieses spannende, bärtige Gesicht würde sich gut über einem verkratzten Holztisch machen, die Zeilen, handgeschrieben oder mit Schreibmaschine gehämmert, auf fleckigem Papier vor sich liegend, daneben ein Glas mit einer goldbraunen Flüssigkeit – sicher nicht Apfelschorle. Garvey würde seine Poesie mal flüsternd, mal fluchend, mal theatralisch rufend an den Mann bringen, und hätte er sich einmal in Rage geredet, würde er das Glas mit vollen Wucht auf den Tisch schlagen – so wie er es in dem Video zur ersten Single „Grounds For Divorce“ tut.



Natürlich würde Elbow-Sänger und Cheftexter seine Band nicht um alles Geld der Welt gegen eine einsame Dichterexistenz eintauschen. Ebenso wenig würde man sich das wünschen – der Punkt ist einfach der, dass Garvey ein dermaßen begnadeter Texter ist, dass dieses neue, vierte Elbow-Album schon begeistertet, wenn man sich allein den Wörtern hingibt. Der Titel „The Seldom Seen Kid“, eine Verneigung vor dem verstorbenen Freund und Songwriter Bryan Glancy, lässt sogleich eine Reihe von Bildern aufsteigen, die eine ganz besondere Melancholie einfangen. Ebenso „The Loneliness Of A Tower Crane Driver“ – eine solch greifbare Metapher, dass man sich plötzlich in einer Krankapsel über den Dächern Manchesters wähnt. Taucht man tiefer in die Songtexte ein, findet man Zeilen wie diese: „I’ve been working on a cocktail called ‚Grounds For Divorce’“ – eine ganz wunderbare Idee, die vielleicht nicht in einer poshen Cocktailbar funktioniert, aber sicher in jedem Pub Nordenglands. Ein weiteres Beispiel: „I have an audience with the pope / and I’m saving the world at eight / But if she says she needs me everybody is gonna have to wait.“ Hat schon jemand so tiefromantisch, augenzwinkernd und unpeinlich über die Liebe gesprochen?

Stopp! Wir sind hier ja schließlich nicht in einer Literaturzeitschrift gelandet. So langsam wird es Zeit, auch die Musik hereinzubitten. Und das funktioniert – man ahnt es, wenn man Elbow kennt – nicht durch ein bloßes Öffnen der Hintertür. Dafür bedarf es eines Vorhangs und einer großen Bühne. Elbow haben sich auf „The Seldom Seen Kid“ von Anfang bis Ende auf die eigenen Stärken verlassen, völlig autark arrangiert, aufgenommen, gemischt und produziert, und es am Ende wieder geschafft, einen Pop-Sound zu finden, der zugleich reduziert und bombastisch klingen kann. Oft passiert das in ein und demselben Song, im Opener „Starlings“ zum Beispiel. Anfangs ein flirrender Krachteppich, dann weltfremdes Surren und Pluckern, sanfte Drums tappsen los, Garvey klagt wortlos in der Ferne, das Klavier tastet sich mit leisem Pling durch die Dunkelheit – bis es plötzlich kracht, ein ganzes Orchester stürmt los, für drei Sekunden, der Song tappst weiter, dann noch einmal der Geigensturm – und dann: geht’s behäbig weiter, Garvey singt die ersten Zeile, man kann sein Grinsen fast sehen: „How dare the premier ignore my invations / he have to go / sold to the bunch he lunches with …“

Die weiteren Überraschungen dieses Albums sollen an dieser Stelle nicht verraten werden, vielleicht noch das Duett mit Richard Hawley bei „The Last Fix“, das beide im Jack-Lemmon-vs.-Walter-Matthau-Style bewältigen – mit hörbarem Spaß. Doch trotz des britischen Humors, der immer wieder durchscheint, ist „The Seldom Seen Kid“ ein zutiefst melancholisches Album. Garvey sagte dem britischen Uncut-Magazin dazu: „Wäre ‚Konzeptalbum’ nicht so ein schmutziges Wort – könnt man es so nennen. Es hat uns selbst als Thema und behandelt ziemlich genau die Zeitspanne in unseren Leben, in denen es geschrieben wurde.“ Und die war natürlich geprägt durch den Verlust eines guten Freundes. Doch wie so oft, hat Garvey auch in der Zeiten der Trauer die richtigen Worte gefunden. Aus diesem Grund sei ihm hier das Schlusswort überlassen. „There's a hole in my neighbourhood down which of late I cannot help but fall / Mondays is for drinking to the seldom seen kid.“

(Quelle: Universal Music Group, 2008)


FORMAT: CD


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