In den USA katapultierte sich Embryonic auf Platz 8, bei uns wurde es durch den "Musik Express" und den "Rolling Stone" bereits zum Album des Monats gekürt. Es ist zugegebenermaßen nicht ganz unumstritten, und manch ein Fan vermisst vielleicht die Zugänglichkeit eines Songs wie "Do You Realize", aber was es auf der anderen Seite bietet, ist ein 18-Song langer, 70-minütiger Trip in eine Landschaft aus Klang und Emotionen. Bei "Embryonic" waren die FLAMING LIPS nicht ganz allein, denn neben ihren üblichen Helfern auf der Produktionsseite präsentiert Karen O (Yeah Yeah Yeahs) einige Stimm-Akrobatiken, die New Yorker Kultband MGMT stellte sich für einige Background-Vocals zur Verfügung und ein deutscher Mathematiker und Jungphilosoph namens Thorsten Wörmann liefert Inspirationen und Ansagen.
Die FLAMING LIPS gehören zu den wenigen Bands, die sich nicht auf erprobte Formate zurückziehen und sich dann auf Dauer immer gleich anhören. Ganz im Gegenteil ist die Band um Wayne Coyne stets auf der Suche nach dem Neuen und dem Unerforschten. Im Falle von "Embryonic" sah das so aus, dass sich Coyne, Stephen Drozd, Michael Ivins und Kliph Scurlock mit ihrem langjährigen Producer Dave Fridmann und Sound-Engineer Scott Booker ins Studio begaben und ziemlich freie Jam-Sessions abhielten, die dann die Grundlage für einige der Tracks auf Embryonic bildeten. Man kann sich vorstellen (und sehr deutlich hören), welche Energie ein solches Vorgehen freisetzt, und obwohl man mit Vergleichen ja vorsichtig sein muss (vor allem bei den FLAMING LIPS), darf man an dieser Stelle ruhig mal Can zur freien Assoziation in den Raum werfen.
"Psychedelic" dürfte ebenfalls ein erlaubtes Wort sein, denn was die LIPS an Soundscapes und Klangräumen schaffen, entführt schnurstracks in eine andere Dimension. Bei allem Experimentieren schaffen es die FLAMING LIPS auf "Embryonic" allerdings, souverän, zielgerichtet und songorientiert zu arbeiten, und wenn "Embryonic" zwar auch durchaus ausschweifende Momente besitzt und etwas weniger griffig als der Vorgänger "At War With The Mystics" daherkommt, ist es nicht weniger eindringlich und besitzt denselben FLAMING LIPS-Charme, den man von eigentlich allen ihren Alben kennt. Man leihe sein Ohr nur mal Songs wie "The Sparrow Looks Up At The Machine", "Aquarius Sabotage", dem unwiderstehlichen "I Can Be A Frog" (Video oben), auf dem Karen O. einige charmante Tiergeräusche von sich gibt, und dem überwältigenden Silver Trembling Hands. Man muss es halt ein wenig wirken lassen, dann stellt sich heraus, dass Embryonic ein episches und großes Werk ist. Vielleicht das epischste seit dem 4-CD-Experiment Zaireeka.
Seit 1986 verewigt Wayne Coyne seine musikalischen Visionen mit den FLAMING LIPS auf Tonträger. Mit "She Don’t Use Jelly" hatten sie im Jahr 1993 einen Billboard-Top-10-Hit (und UK No.-1 Hit im Jahr drauf). 2006 veröffentlichten sie ihr 12. Album "At War With The Mystics". Für das Instrumental "Approaching Pavonis Mons By Balloon" (Utopia Planitia) vom Album "Yoshimi Battles The Pink Robots" wurden die FLAMING LIPS 2003 mit ihrem ersten Grammy ausgezeichnet, bei den Grammy-Verleihungen 2006 kamen für At War With The Mystics dann noch zwei dazu.