The Boy With No Name [Pop]
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„Ich werde mich ganz bestimmt nicht hinstellen und sagen, dass das hier das beste Album der vergangenen zwanzig Jahre ist”, sagt Fran Healy. „Aber ich bin der Meinung, dass wir ein wirklich gutes Album gemacht haben. Man hat das Gefühl, wir sind wieder da.“
In der Tat: Das fünfte Travis-Album ist eine Platte, die die Menschen daran erinnern wird, wie vier Freunde aus Glasgow zu einer der größten und beliebtesten Bands des Vereinten Königreichs wurden. Eine Band, ohne die es – wie Chris Martin jüngst zugeben musste – „Coldplay möglicherweise nie gegeben hätte“. Eine Band, die Millionen von Platten verkaufte und als Headliner bei den größten Festivals auftrat. Eine Band, die bereits zweimal den Brit Award als „beste britische Band“ gewann und deren zweites Album „The Man Who“ in jedem achten britischen Haushalt zu finden ist.
Oder einfacher ausgedrückt: „The Boy With No Name“ ist eine großartige Ansammlung bittersüßer Popsongs, erschaffen von einer Band, die bittersüße Popmusik besser macht als jeder andere. Ohne zu übertreiben kann man sagen, dass jeder Song – inklusive dem supercatchy Bonustrack – ohne Einschränkung locker die Tauglichkeit zur potenziellen Hitsingle erbringt.
Ganz offensichtlich hat Healy sein Talent für das Schreiben brillanter Songs über die Höhen und Tiefen des Lebens nicht verloren. „Wenn man sich Song für Song anschaut, denke ich, diese Platte ist die stärkste, die wir je gemacht haben“, sagt der stets freundliche Bassist Dougie Payne. „Frannie war ganz offensichtlich ziemlich inspiriert.“
Dreieinhalb Jahre sind seit dem letzten Studioalbum der Band vergangen, das den Titel „12 Memories” trug und das Healy heute als „eine Art Therapiesitzung” beschreibt. Payne ergänzt: „Ich mag das Album wirklich sehr, aber ich denke, wir mussten uns damals noch vom Wahnsinn der vorangegangenen Jahre erholen.“
Beispielsweise von dem Wahnsinn, nach einem Debütalbum, das sich 40.000 Mal verkaufte („Good Feeling“, 1997) mit den beiden folgenden jeweils Multi-Platinstatus („The Man Who“ 1999 und „The Invisible Band“ 2001) zu erreichen. Oder von dem Wahnsinn, wenn dein Schlagzeuger (Neil Primrose) kopfüber ins flache Ende eines Swimmingpools springt (2002), sich dabei die oberen Halswirbel zertrümmert und um ein Haar ums Leben kommt. Oder, nicht zu vergessen, vom Wahnsinn, wenn sich das Land, in dem du aufgewachsen bist, an einem Krieg beteiligt, mit dem man nicht einverstanden ist. „Diese Platte war eine Art ‚Rohrfrei’ für unser ganzes System“, erklärt Healy.
Als die Promotion für das letzte Album „12 Memories“ beendet war, beschloss die Band, ihre erste richtige Pause einzulegen. „Ich dachte nur: ‚Ich muss dringend leben’“, sagt Healy heute. „Meine besten Songs entstammen persönlichen Erfahrungen aus meinem eigenen Leben. Also beschloss ich, einige Zeit Pause zu machen, um mit den Menschen zusammen zu sein, die mir wichtig sind, Urlaub zu machen, rumzuhängen und wegzukommen von der Intensität des Musikbusiness.“
Im Herbst 2004 war die Band schließlich erholt genug für einen Neuanfang. Um die ganze Sache ins Rollen zu bringen, gingen Travis zusammen mit Brian Eno ins Studio, um an einigen Ideen zu arbeiten. Das brachte die Kreativität innerhalb der Band in Gang und schon bald war man mitten in einem Prozess, bei dem Healy einige Songs schrieb, die Band sie aufnahm und die Produzenten Nigel Godrich und Mike Hedges ab und zu vorbei schauten, um ihre Meinung kund zu tun. Einer intensiven Phase der Aktivität folgten einige Wochen bzw. Monate Verschnaufpause. Die Auszeit nutzte Healy dazu, zum ersten Mal Vater zu werden, mit „Save The Children“ den Sudan zu besuchen und das eine oder andere Konzert zu geben (das Live-Highlight des Jahres 2005 war entweder der Auftritt bei „Live 8“, als Headliner beim „Isle Of Wight“-Festival oder das alljährliche Crouch End Weihnachtskonzert).
Und dann, als die Band das Gefühl hatte, der richtige Zeitpunkt sei gekommen, fanden sich Travis wieder im Studio ein. „Wir gingen die ganze Sache sehr, sehr relaxed an”, sagt Healy. Die Aufnahmen waren so entspannt, dass sie sogar einige Freunde einluden, daran teilzunehmen, darunter Hollywood-Star (und Travis-Fan) Ben Stiller, der bei einer Session Kuhglocke spielte. „Mir machte es diesmal großen Spaß, im Studio zu sein“, sagt Payne. „Ich denke, das ging uns allen so. Es klingt saudumm, aber es passierten einige unglaubliche Sachen, einfach beim miteinander Musizieren. Es schweißte uns als Band wirklich zusammen.“
Es dauerte nicht lange und es wurde augenscheinlich, dass sie jede Menge Songs beieinander hatten. Jede Menge gute Songs. „Die schiere Quantität an Stücken, die wir aufnahmen, war einfach unglaublich“, erinnert sich Payne. „Letzten Endes hatten wir dreißig oder vierzig Tracks. Die Tatsache, dass sich der Prozess, diese Zahl auf elf zu reduzieren, so dermaßen schwierig gestaltete, sagt eigentlich alles über die Qualität des Songmaterials. Wir waren noch nie in der Situation gewesen, dass wir zu viele Songs gehabt hätten. Sogar bei ‚The Man Who’ hatten wir kurz vor Schluss gerade mal acht oder neun Stück.“
„The Boy With No Name” wurde schließlich im Dezember 2006 fertig gestellt. „Zu diesem Zeitpunkt verstummten auch die Stimmen in meinem Kopf, die mir jede Nacht einflüsterten, dass es noch nicht soweit sei”, grinst Healy. „Jetzt bin ich aber sehr zufrieden und denke, dass wir da etwas Großartiges erschaffen haben und dass es nun an der Zeit ist, es unter die Leute zu bringen.“
Das Album beginnt mit dem zauberhaften „Three Times And You Lose“, einem im besten Sinne klassischen Travis-Song, der das Gefühl beschreibt, „anonym in einer Großstadt gefangen zu sein“. Etwas munterer wird es dann anschließend mit „Selfish Jean“, einem Stück, dessen übermütiges Intro zu gleichen Teilen von Iggy Pop und Motown inspiriert zu sein scheint, bei genauerer Betrachtung aber lediglich Tarnung für einen boshaften Song über eine zerbrochene Freundschaft ist. Es folgen die erste Single des Albums, das frühlingshaft-verliebte „Closer“ und das ungebremsten Optimismus verbreitende, groovige „Big Chair“, bei dem Healy das Thema Einsamkeit und Ablehnung verhandelt, während die Travis’sche Rhythmus-Abteilung die funkigste Performance ihres Bestehens abliefert.
„Battleships“ ist ein wunderbar trällerndes Lied, das zwei Menschen beschreibt, die sich eigentlich lieben, aber wegen „dummen Kleinigkeiten in die Haare kriegen, wie z.B. in welche Richtung man mit dem Auto fährt“. Danach kommt das stampfende „Eyes Wide Open“, eine Ode an die Schlaflosigkeit, und das fast schon absurd chatchy „My Eyes“, das Healy an jenem Tag komponierte, als er erfuhr, dass er Vater werden würde (das Albumtitel stammt übrigens ebenfalls von Healys Sohn Clay, dessen Namensfindung einige Wochen in Anspruch nahm). Eine wunderbare Überleitung zu den Breitwand-Emotionen von „One Night“, einem prachtvollen, von Herzen kommenden Song über jene kurzen Momente, die dein Leben für immer verändern.
Das feinfühlige „Out In Space” (“out in space, a million miners work upon the nights coal face”) ist ein weiterer Song, der Freundschaften angesichts guter und schlechter Zeiten zum Thema macht. Danach folgt die ergreifende Payne/Healy-Kollaboration „Colder“ – einerseits das beste Travis-Stücke zum Thema Wetter seit „Why Does It Always Rain On Me“, andererseits beeindruckender Beweis, dass Healy ein fantastischer Mundharmonikaspieler ist. Das Album findet seinen Abschluss mit „New Amsterdam“, einer Hymne an New York - der Stadt, in die sich Healy so sehr verliebte, dass er dort eine Wohnung erwarb. Als Zugabe enthält „The Boy With No Name” den irrsinnig eingängigen Bonustrack „Sailing Away“, den Healy in seinem Garten hinter dem Haus schrieb, wo er den Tod seines Riesengoldfischs Mr. Pink betrauerte.
„Ich nenne es ‚vorsichtigen Optimismus’“, erklärt Payne. Dieses Album ist auf jeden Fall lebensbejahender und positiver als das letzte. Wenn man großartige Songs hat, wird man zwangläufig zuversichtlicher, was zur Folge hat, dass man gut spielt und alles fühlt sich dann etwas positiver an. Das hat ganz bestimmt auf die Platte abgefärbt.“
Travis sind zurück und bereit, ihren Platz in den Radioplaylisten, auf den Bühnen der Welt und in den Herzen der Menschen wieder einzunehmen.
„Nachdem wir für einige Zeit das Gefühl hatten, wir kommen nicht weiter, kommt es uns nun so vor, als sei nichts mehr unmöglich“, bestätigt Healy. „Wir haben einige finstere Täler durchwandert. Aber nun haben wir unsere Muse wieder gefunden.“
Das - und noch viel mehr.
(Quelle: SonyBMG) FORMAT: CD
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