WEBSITE: www.bootsycollins.com
In der Genre-Bezeichnung Funk steckt ja auch das Wörtchen Fun – also Spaß und Vergnügen. Und kein anderer Funker verkörpert in seiner Person und seinem musikalischen Schaffen neben aller Kreativität und handwerklichem Können diese „Fun“ mehr als Bootsy Collins, der auch als „das wilde Kind des Rock´n´Roll“ gilt – der mit seinem Plateaustiefel, seinem sternenverzierten Bass und dem Zylinder auf dem Kopf auch schon äußerlich die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken versteht. Doch es ist nicht nur die extravagante optische Erscheinung, sondern auch einem schier überbordenden musikalischen Ideenreichtum, mit dem er aus der breiten Masse herausragt.
Auch mit seinem neuen Album „Tha Funk Capitol Of The World“ setzt das Mitglied der Rock´n´Roll Hall Of Fame einen weiteren Meilenstein in seiner mittlerweile über 40-jährigen Laufbahn, die einst in der Band von James Brown (Bootsys markanter Bass prägte beispielsweise „Sex Machine“ maßgeblich) begann und die er von seinem Bootzilla Word Headquarters in Cincinnati, Ohio, aus steuert. Nach den Lehrjahren bei Brown absolvierte der inzwischen 60-Jährige seine Gesellenzeit bei George Clinton und Parlianment/Funkadelic und machte sein Meisterstück in der zweiten Hälfte der 70er Jahre mit seiner Rubber Band. 22 Alben standen bislang auf seiner Werksliste, die jetzt mit „Tha Funk Capitol Of The World“, seinem ersten Studioalbum seit fünf Jahren, angereichert wird.
„Das Geheimnis, das ich in all den Jahren gelernt habe, besteht darin, dass man dem Universum nicht diktieren kann, was zu tun ist – das Universum sagt einem, wenn es soweit ist. Und dann muss man bereit dafür sein. Und als mir das Universum klar machte, dass es an der Zeit war, ein neues Album aufzunehmen, war ich bereit“, sagt Collins in seiner blumigen Sprache. Das Universum hatte seine Signale ausgesandt, und Collins rief viele Freunde, um ihm dabei zu helfen, sein neues Meisterstück zum Grooven zu bringen, um „ein neues Kapitel in meinem Leben zu beginnen“.
„Bei der James Brown Tribute Tour ist mir klar geworden, wie viele meiner Heroen, Vorbilder, Inspirationsquellen und Weggefährten von uns gegangen sind und wie sehr ihr Erbe zum Teil verwässert worden ist – das wollte ich ändern“, erklärt Collins und nennt Namen wie Brown, Jimi Hendrix, Parliament/Funkadelic, aber auch Miles Davis und Thelonius Monk.
Zweieinhalb Jahre nahm sich Collins, um ein ebenso würdiges wie quicklebendiges und originelles Album zu schaffen, mit dem er aber nicht nur zurückblickt, sondern zugleich nach vorne – er schlägt schlicht eine Brücke vom Gestern ins Morgen, die auf einem festen Pfeiler des Heute ruht. Unterstützt wurde er dabei von Freunden wie P-Funk-Kumpel George Clinton und Linda Shyder, der Witwe von Funkadelic-Gitarrist Garry Shider, auf „Garry Shider Tribute“. Das rappende Trio Snoop Dogg, Ice Cube und Chuck D von Public Enemy prägt neben Bootsy „HipHop @ Funk U“, sein im August 2010 verstorbener Bruder Catfish Collins ist gemeinsam mit Bobby Womack nochmals auf „Don´t Take My Funk“ zu hören. Wie auch dank der modernen Studiotechnik die Stimme von Jimi Hendrix auf „Mirrors Tell Lies“: „Wir haben Jimi dazu gebracht, über bestimmte Dinge zu sprechen, wie er manches in seiner Karriere und bestimmte Dinge sah“, meint Collins etwas mysteriös, aber zugleich neugierig machend. Hilfreich waren seinen Worten zufolge bei diesem Stück Samples von Hendrix ´ „Roomful Of Mirrors“.
Musiq Soulchild, Razzberry Hershey und Tom Joyner waren bei den Aufnahmen für „Yummy, I Got The Munchies“ dabei, während „If Looks Could Kill“ die Offenheit Collins´ auch für nicht-schwarze Töne demonstriert: Dafür holte er sich den Bluegrass-Saitenvirtuosen Bela Fleck sowie Victor Wooten und Dennis Chambers nach Cincinnati! „Country and Folk meet Funk“, beschreibt das Mastermind selbst diese Nummer. Und ergänzt: „Ich wollte den Genre-Rahmen weiter spannen und kein reines Funk-Album machen, sondern auch neue Territorien erobern. Natürlich dreht sich immer noch alles um Funk, aber den sind wir eben aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln angegangen.“ Und sogar aus dem Schauspielerlager holte sich Collins Verstärkung: Samuel L. Jackson bereichert „After These Messages“.
Party-Laune verbreitet Bootsy Collins mit „Tha Funk Capitol Of The World“, tobt sich mit beseelten Rhythmen und mitreißenden Melodien aus, doch dabei belässt er es nicht. Er schürft inhaltlich tiefer, regt zum Innehalten und Nachdenken an. So zum Beispiel mit „Freedumb“, wenn er gemeinsam mit Dr. West donnernd über Lug und Trug oder die Irrwege der modernen Welt sinniert. Oder wenn er mit „Minds Under Construction“ „das kreative Potenzial der Jugend“ explizit würdigt: „Junge Menschen sind unglaublich intelligent, ambitioniert und stecken voller Sehnsüchte – wir müssen ihnen dabei helfen, das umzusetzen, statt sie ihrem Schicksal zu überlassen, dürfen sie unter der Last von Armut und Drogen oder den anderen Belastungen der Gegenwart nicht untergehen lassen!“
Und dann wäre da noch seine Ode an James Brown, „JB – Still The Man“, eine musikalische Biografie und Würdigung des Godfather Of Funk“, fast schon ein gerapptes Gebet, das Rev. Sharpton vokal intoniert hat. „Man kann schon sagen, dass Mr. Brown der wichtigste Einfluss für dieses Album war“, fasst es Collins zusammen. „Als ich in seiner Band einstieg, nahm er mich unter seine Fittiche, brachte mir vieles über dieses Business bei – das Wichtigste war aber, dass er mich lehrte, dass der Downbeat seine Musik antrieb und quasi die Maschine für all seinen großartigen Funk war, was ich hiermit einfach würdigen wollte.“ Und der stets innovative Meister der vier Saiten verrät noch ein weniger bekanntes Detail aus seiner Vergangenheit: „Ich war eigentlich Gitarrist, ehe ich bei der Band von Mr. Brown einstieg – und ich wollte den Bass wie Jimi Hendrix spielen. Irgendwann habe ich das dann geschafft, und durch die zusätzliche Hilfe von Effekten ist es mir gelungen, das Instrument gewissermaßen aus einer eingeschränkten Rolle und Aufgabe zu befreien und es überall dorthin zu führen, wo mich selbst meine Vorstellungskraft trieb. Wobei Mr. Brown sich immer bemühte, mich dazu zu bringen, simpel und auf den Punkt zu spielen, eben in der treibenden Old-School-Manier. Darüber habe ich oft – und nicht nur innerlich – gegrummelt. Aber heute bin ich ihm dafür dankbar!“
Und wie ein Schlusswort vor dem Aufbruch zu neuen Live-Ufern in den nächsten Monaten klingt es, wenn Bootsy Collins konstatiert: „Worum es in meinem Leben und in meiner Musik letztlich geht, ist Freiheit. Die Freiheit, all die Sounds und Ideen und Dinge zu suchen und zu verfolgen, die man fühlt. Die Musik verlangt förmlich danach, zwingt einen dazu, dass man offen ist und der Welt das gibt, was man ihr geben kann. Und genau das ist die Botschaft, die ich mit ´Tha Funk Capitol Of The World´ unter die Leute zu bringen versuche.“ Amen.
(Quelle: Alexandra Doerrie, Another Dimension, 22.2.2011)
FORMAT: CD
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