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CD-DETAILS REBIRTH [TRIBE]


Foto: Francois Berthier

Tribe

Rebirth [Jazz]


RELEASE: 26.03.2010


LABEL: Planet E/ Discograph

VERTRIEB: Alive!


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1971 haben Saxofonist Wendell Harrison und Posaunist Phil Ranelin in Detroit eine Formation, ein Label sowie ein Magazin gegründet und sie Tribe genannt. Tribe haben die Bedeutung eines unabhängigen Geistes und Gemeinschaftsgefühls in der Jazz-Musik neu definiert. Dieses legendäre politische, soziale und ästhetische Kollektiv beeinflusste die nachfolgende Musikszene und House, Techno und HipHop-Generation in Detroit maßgeblich. Im Frühjahr 2007 hat der für seine innovativen Produktionen weltweit geschätzte Soundtüftler und Technolegende Carl Craig den Kern des Tribe-Kollektivs wieder zusammengeführt und mit ihnen ein neues Band-Album in Craigs frisch ausgebautem Studio in Detroit aufgenommen.

Worum es bei der CD „Rebirth“ eigentlich geht, machen diese ersten Zeilen des Stücks schnell deutlich: Denn Cosmic Jazz, sanfte Schwingungen und einige wenige Worte sagen mehr über den derzeitigen Zustand der Welt aus als eine Vielzahl großspurig geschwungener Reden. Der Posaunist Phil Ranelin hat ein Intro kreiert, das uns mitnimmt zur musikalischen Kehrtwende in den 70ern, als eine Gruppe von Jazzmusikern (Phil Ranelin, Wendell Harrison) aus Detroit 1971 kurzerhand beschloss, ihr Schicksal fortan selbst in die Hand zu und ihr eigenes Independent-Label namens Tribe Records zu gründen. Zu dieser Zeit ein außergewöhnliches Vorhaben, doch schnell stießen Marcus Belgrave (Trompete), Harold McKinney (Klavier) und Doug Hammond (Schlagzeug) sowie einige andere dazu.

Demselben Geist folgend wie Chicagos AACM, BAG aus St. Louis oder das Strata East-Label aus New York, ging es auch hier vor allem um Selbstbestimmung und Improvisation. Verglichen mit den großen Plattenfirmen, die die Musikwelt regierten, herrschte eine große „Freiheit des Geistes“. Sie rissen sich los von alten Mustern und suchten stattdessen nach Mitteln und Wegen, sich vor allem durch Vielfalt und Kreativität auszudrücken. Solange es nur genug Groove hatte, wurden sämtliche Formen und Spielarten von Black Music miteinander verknüpft: Swing und Soul, Free Jazz und Experimental Funk, Post-Bop und Proto-Rap.

Zu einer Zeit, als gerade die Bürgerrechte verhandelt wurden und Rassentrennung ein volkswirtschaftliches Thema wurde, als der Vietnam-Krieg jeden Tag neue Opfer forderte und Nixon die Bombardierung Kambodschas vorbereitete, protestierten die Mitglieder von Tribe auf ihre eigene Art und Weise dagegen – mit Musik, die wie Raketen in die Köpfe der Leute geschossen wurde.

Ihr erstes Album „A Message From The Tribe“ von 1971 bot einen ungeschönten Blick auf die Lage der Welt, was neben der großartigen Musik auch noch von einem fantastischen Cover-Artwork unterstrichen wurde. "The Tribe project is an extension of village tribes in Africa, our mother earth. In Africa, anybody can have the talent to play. There are no superstars, just people who participate collectively in the cultural life of a place…”, so lauten die ersten Worte in den Linernotes der LP. Und diese Worte fassen den damaligen Gemütszustand dieser von Stress und Missstimmung ermüdeten Musiker sehr treffend zusammen – nämlich ihren unbändigen Willen, zu (und mit) der gesamten Gesellschaft sprechen zu wollen.

Um diese Kunde zu überbringen und sich gegen Vorurteile und Diskriminierung zur Wehr zu setzen, hat sich Tribe dereinst zusammengetan. Doch auch eine Botschaft der Liebe sickert durch viele ihrer beschwichtigenden Hymnen. Außerdem veröffentlichten sie ein Magazin, in dem sich junge afro-amerikanische Autoren und Studenten literarisch ausdrücken konnten, um dadurch wieder die Kraft zu erlangen, nicht nur zu sprechen, sondern darüber hinaus auch Taten folgen zu lassen.

Fünf Jahre später, nach einer Handvoll Alben und EPs, die Tribes ursprünglichen und hochgradig spirituellen Ansatz demonstrierten, endete das gemeinsame Abenteuer nach einer Platte namens „The Mixed Bag.“ Die wenigen Vinyl-Exemplare des Albums wurden schnell rare Sammelobjekte für Groove-Fans, die in der feinsinnigen Alchemie der Platte die ersten Zeichen einer Vermischung von Genres erkannt hatten. Ein Mix, der überall auf der Welt mittlerweile Usus geworden ist. Die Alben waren ihrer Zeit weit voraus und haben sich daher damals nicht sonderlich gut verkauft. Aber gerade deshalb haben es die Musiker nicht verdient, in Vergessenheit zu geraten, wie so viele Künstler vor ihnen. Doch es war längst so weit gekommen, bis sich Gilles Peterson und das renommierte Re-issue Label Soul Jazz aufmachten, Tribe wieder aus ihren verstaubten Archiven zu fischen. Und von da an wurde Tribes wundervolle Odyssee zum Vorzeigeobjekt für alle Verrückten auf der Suche nach einem Soundtrack musikalischer Grenzüberschreitung.

Einer von ihnen war Carl Craig, der ebenfalls (1969) in Detroit geboren wurde – eine der nach wie vor fruchtbarsten Gegenden für afro-amerikanische Musik. Als einer der Dance-Music-Pioniere steuerte er seinen Teil dazu bei, um das weite Feld an experimenteller Musik maßgeblich zu verbreitern. Zu den Hochzeiten von Tribe war er noch ein Kind, aber die Mensch-Maschine hatte immer schon eine große Liebe für Mutant Jazz und seine Schöpfer verspürt, genauso wie Craig stets politisch interessiert und sozial engagiert war. „The musicians from Tribe were torchbearers for a lot of us.”

Seinen Respekt für diese Musiker und diese sagenhafte Szene drückte er 2003 mit seinem “Detroit Experiment”-Album aus – einer Platte, auf der nicht nur viele einflussreiche Mitglieder der dortigen Jazz-Community mitgewirkt hatten, Geri Allen, Doug Carn oder Marcus Belgrave, vor allem aber dessen einleitendes „Space Odysee“ bereits die Richtung für den Rest des Albums vorgab. Sieben Jahre später hat der Hexenmeister der Maschinen diese Experimente jetzt mit einer neuen Platte „Rebirth“ ausgedehnt, indem er die Original Mitglieder des Tribe Labels Marcus Belgrave, Phil Ranelin, Doug Hammond und Wendell Harrison zusammengebracht hat.

Zwei EPs, veröffentlicht über Community Project (einem sehr treffend betitelten Sub-Label), auf denen auch ein Cover des Tribe-Klassikers „Vibes From The Tribe“ zu hören ist, untermauern die Fruchtbarkeit dieser Kollaboration. „It was high time I dedicated a full album to these musicians.” Und genau das hat er mit „Rebirth“ auf wundervolle Art und Weise getan. Er hat Tribe eine musikalische Wiedergeburtsurkunde ausgestellt, die weit mehr ist als ein bloßes Tribute-Album. Mit einer zurückgenommenen Produktion, die dennoch bestimmt wirkt, wirft Carl Craig ein vollkommen neues Licht auf den anspruchsvollen Groove dieser unterrepräsentierten Szene. Alte Hasen und Neulinge, Freunde der Tribe-Familie und Anwohner des Planeten E kommen alle zusammen (u. a. Karriem Riggins, Amp Fiddler) und brennen ein wahres Feuerwerk aus Original-Interpretationen und 70er-Jahre-Covern ab, irgendwo zwischen Soul, Jazz und Free Funk. Alle wiedervereint vom Wunsch, ein kurzes aber intensives Abenteuer wieder aufleben zu lassen, deren lang anhaltenden Auswirkungen im Licht dieser kriegsgeplagten Welt immer noch anhalten.

„War is not the answer/cuz it’s sick like a cancer/Peace and love ist he way/And we’ll fin dit one day, one day.“

“Well, well, well,
We’re livin’ in a new day
We’re doin’ things a new way
I’m talkin’, I’m talkin’ about a new day
And we’re searchin’ for the right way
We amm want to know the real deal”

History

Die Gruppe hat eine Reihe rarer Platten veröffentlicht, darunter Phil Ranelins „Vibes FromThe Tribe“, Marcus Belgraves „Gemini II“, Harold McKinneys „Voices And Rhythms Of The Creative Profile“, Doug Hammonds und David Durrahs „Sea Of Numen“ und Wendell Harrisons „An Evening With The Devil“. Mittlerweile sind viele von ihnen in Amerika, Europa und Japan von Labels wie Hefty, Soul Jazz, P Vine und Ubiquity wiederveröffentlicht und/oder lizensiert worden. Jazz-, Funk- und Electronic Music-Sammler schätzen vor allem ihren ursprünglichen Vibe, sodass sie heute zu raren Sammlerobjekten geworden sind. In einem Interview mit Wendell Harrison im Jahr 2001 schrieb die "Jazz Times" über das Tribe-Label: „[It] packed a strong musical punch remarkable for ist unorthodoxy.“

Vision

Tribe haben die Bedeutung eines unabhängigen Geistes und Gemeinschaftsgefühls in der Jazz-Musik neu definiert – genau wie Sun Ra mit seinem EL Saturn-Label, Stanley Cowell und Charles Tolliver mit Strata East in New York, das AACM-Kollektiv in Chicago (Braxton, The Art Ensemble Of Chicago und viele mehr), die Black Artists Group in St. Louis, die Underground Musicians’ Association in Los Angeles (Horace Tapscott & Co.) oder Max Roach und Charles Mingus in den frühen 60ern. Es gibt wohl nur wenige Leute aus der Musikszene in Detroit, die nicht auf irgendeine Art und Weise von Tribe beeinflusst worden sind. Die House-, Techno- und HipHop-Generation nach ihnen war es ganz gewiss.

Rebirth

Im Frühjahr 2007 hat der für seine innovativen Produktionen weltweit geschätzte Soundtüftler und Technolegende Carl Craig den Kern des Tribe-Kollektivs wieder zusammengeführt, deren Mitglieder nach wie vor schwer aktiv sind und in Kontakt zueinander stehen – Phil Ranelin (der mittlerweile in Los Angeles zuhause ist), Wendell Harrison (der immer noch in Detroit wohnt und arbeitet), Marcus Belgrave (Detroit) und Doug Hammond (den es nach Österreich verschlagen hat).

Ein neues Band-Album begann in Craigs frisch ausgebautem Studio in Detroit Form anzunehmen. Die Platte wird ein gänzlich neues Arrangement des Tribe-Klassikers „Vibes From The Tribe“ sowie vollkommen neue Kompositionen, die allein für diese Veröffentlichung geschrieben wurden, enthalten. Einen Vorgeschmack bietet die erste Single „Livin’ A New Day“, eine brandneue Komposition von Phil Ranelin, die über Community Projects veröffentlicht wird.

Phil: „It felt great to be back laying down some tracks with the guys. The inspiration for ‘Livin’ In A New Day’ comes as usual for me just checking out the daily vibes on the planet. We are in very critical times in my opinion and there are lots of issues that need our attention. Things have drastically changed in the last twenty or thirty years and unfortunately most of it hasn't really been good for the planet or the people of the planet, and then you have all of these on going wars, lies, disruptions and fear promotion that's taking place it's really crazy! That's what ‘Livin’ A New Day’ is about."

(Quelle: Sven-Erik Stephan, Beatsinternational, 2010)


FORMAT: CD


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