Sarava [Jazz]
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Der Konzert-Mitschnitt “Saravá” markiert Joel Xaviers Rückkehr zur E-Gitarre und richtet den Fokus auf seine brasilianischen Einflüsse aus der Perspektive eines Portugiesen. “Saravá” ist ein Ruf der Samba-Musiker, mit dem sie positive Energie verbreiten wollen. Es ist genau diese Energie, die Joel Xavier mit diesem Konzert vermitteln möchte: eine anspruchsvolle und rhythmisch komplexe Musik, gleichzeitig aber lebensbejahend und tanzbar.
Der Blick der Portugiesen geht seit Jahrhunderten übers Meer. Ein spannendes und weitverzweigtes Geflecht der Kulturen hat ihre Rolle in der Geschichte hinterlassen, eine Netzwerk, das bis heute vor allem in der Musik weiterlebt. Zwischen Lissabon, den lusophonen Ländern Afrikas und Brasilien entfaltet sich ein rhythmisches und melodisches Universum, das auch den Gitarristen Joel Xavier von jeher fasziniert hat. Vollzog er auf seinem letzten Opus einen einsdrucksvollen Ankerwurf in New York mit dem prominenten Duopartner Ron Carter, so fokussiert er sich mit „Saravá“ nun auf diese weiter südlich pulsierende atlantische Dynamik. Zugleich markiert Xavier - mit seiner ersten Live-Aufnahme überhaupt - die Rückkehr zur elektrischen Jazzgitarre.
“In diesem Konzert-Mitschnitt spiele ich mit einem druckvollen Powertrio“, erklärt Joel Xavier, „eine akustische Gitarre hätte sich da gar nicht durchsetzen können. Ich brauchte einen präsenteren Sound, der zugleich fließend ist, so dass das Publikum die Melodien und Improvisationslinien besser verstehen kann.“ Xavier knüpft somit wieder an die Zeiten vor seiner balladesken Akustik-Trilogie an, als er 1999, während der Sturm-und-Drang-Phase seiner Karriere in Miami, im Hause von Arturo Sandoval die CD „Latin Groove“ mit Gästen einspielte. Damals unternahm er erstmals eine Fusion zwischen Latin- und Afro-Rhythmen, die er nun unter anderen Vorzeichen weiterführt. „Dieses Mal erzähle ich eher aus der Perspektive des Portugiesen, der zeigt, wie stark die afrikanischen und brasilianischen Einflüsse ein ganzes Leben auf ihn eingewirkt haben. Schon lange habe ich dieses Projekt im Kopf mit mir herumgetragen.“
Dass es nun in fast explosiver Schnelle verwirklicht wurde, hing von ein paar wundervollen Zufällen ab. Den Bassisten Gustavo Roriz aus São Paulo lernte Xavier kennen, als er einen Partner für die Bühnenumsetzung des Ron Carter-Projekts suchte. Als er ihm von den Plänen für das neue Programm erzählte und die Suche nach einem Drummer akut wurde, fiel Roriz sofort sein Landsmann Milton Batera ein. Der schickte sich gerade an, von Florianopolis nach Lissabon zu kommen. Dass die Chemie des Dreiers stimmte, merkte Xavier just in dem Moment, als er eine Einladung für eine Konzertreihe im schönsten Theater Lissabons, dem São Luiz erhielt. Kurzentschlossen und ohne Proben setzte das neugefundene Trio Xaviers Kompositionen auf der Bühne um. Ein Wagnis, das Xavier so kommentiert: „Gustavo und Milton können sich durch ihre Herkunft mühelos in die brasilianischen und afrikanischen Rhythmen einfühlen, selbst wenn sie nicht jeden einzelnen kennen. Ich konnte mich also blind auf sie verlassen und befreit improvisieren.“ Es ist faszinierend, ein wenig in die Genealogie der Stücke einzutauchen. Da wäre zunächst der Name der Scheibe: „Saravá“, ein Ruf der Samba-Musiker, mit dem sie positive Energie verbreiten wollen. Es ist genau diese Energie, die Joel Xavier als Motto über das Konzert stellen möchte. Sein Anliegen ist es, den Jazz aus seiner intellektuellen Sackgasse zu befreien, ihn wieder als Musik fürs Publikum zu pflegen, das ruhig auch tanzen darf: Anspruchsvolle, rhythmisch komplexe Musik zu machen, die gleichzeitig lebensbejahend und lebendig daher kommt, das ist möglich. Und auch notwendig, gerade bei den Krisen und Katastrophen unsere jungen 21. Jahrhunderts, so sein Credo. Um diese Energie zu entfachen, lässt er sich von Rhythmen aus dem brasilianischen Capoeira-Tanz („Ginga“, „Mandinga“) und seiner rituellen Kraft inspirieren, ebenso von der afro-brasilianischen Candomblé-Religion („Ijexá“). Zitiert wird auch die urwüchsige Kraft des Samba vor seiner Kommerzialisierung, als er in Bahia nur auf die Sprache der Trommeln und die menschliche Stimme baute, deren Rolle er mit seiner Gibson-Gitarre übernimmt („Batucada“). Und schließlich führt Xavier auch die ganz unterschiedlichen Facetten des lusophonen Afrikas vor Ohren: Das Konzert enthält eine Widmung an seine kapverdischen Freunde, fängt ihren ruhigen, melancholischen „Spirit“ ein, der auf dem Archipel im Wort „Morabeza“ seinen Niederschlag gefunden hat. Im wahrsten Sinne des Wortes ein feuriges Tribut an Angola, wo Xaviers Familie lange gelebt hat, ist schließlich „Jindungo“, der dortige Name für eine würzige Schote – Sinnbild dafür, dass diese Komposition im Semba-Rhythmus, dem afrikanischen Sambavorläufer, wahrhaftig Pfeffer im Hintern hat.
Eine letzte Überraschung: Joel Xavier offenbart sich auf „Saravá“ auch als Sänger. Ähnlich wie einer seiner Favoriten, George Benson, scattet er waghalsig zu seinen Improvisationen, geht so gar weiter und doppelt sich schon während des Themas vokal. Dabei ist das für ihn überhaupt nichts Ungewöhnliches. „Alle meine Stücke entstehen, indem mir eine Melodie in den Sinn kommt, die ich dann zur Gitarre singe, während ich die Komposition weiterentwickle. Jetzt habe ich das zum ersten Mal auch im Konzert gemacht – denn ich wollte diesmal so authentisch wie möglich sein. Dem Publikum zeigen, was in meinem Inneren passiert.“ „Saravá“ ist ein packendes, unmittelbares Zeugnis von Xaviers Spielfreude zwischen den Kontinenten.
(Quelle: Galileo Music Communication, 2009)
FORMAT: CD
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