Caravan [Pop]
WEBSITE: www.madviolet.com
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Die beiden kanadischen Musikerinnen Brenley MacEachern und Lisa MacIsaac sind schon viel herumgekommen. Sie lieben das Reisen, sind oft und gern auf Achse. Doch so rastlos sie auch sein mögen, so ruhig und gereift wirken die Songs ihres zwischen Folk, Pop und Alternative Country changierenden Albums „Caravan“. Zweifellos ist Madison Violet, wie sich das in Toronto beheimatete Duo nunmehr nennt, mit ihrem zweiten Longplayer ein ganz großer Wurf gelungen. Vorbereitet hatten sie sich darauf in der idyllischen Abgeschiedenheit von Byron Bay am östlichsten Punkt von Australien. Zwei Jahre ist es her, dass sie sich nach einer Tour durch Australien südlich von Brisbane Quartier mit ihrem Vintage Wohnmobil aufgeschlagen hatten, um an Songs für „Caravan“ zu arbeiten.
Das Rauschen des Pazifiks und die Schreie von Nymphensittichen bildeten die herrliche Kulisse für Morgenstunden, die die beiden mit Surfen, Biken und Backgammon ausfüllten, bevor sie sich an die Arbeit machten. In den Pausen gönnten sie sich frischen Fisch und Wein. Zuflucht vor der starken Sonne bot ihnen der silber-kastanienbraum gestreifte 1965er Morton Caravan, den sie Greta tauften. „Irgendetwas an diesem abgetakelten Caravan hat uns richtig kreativ werden lassen“, erinnert sich Lisa. Fakt ist, das Album heißt „Caravan“, weil darin die meisten Songs ihren Ursprung fanden. Die Songs zu ihrem Debütalbum, das im Jahr 2004 unter ihrem alten Bandnamen Madviolet veröffentlichte „Worry The Jury“, hatte das Duo ebenfalls fernab der Heimat geschrieben, und zwar in der Einöde von New Mexico. Wie damals gingen sie nun mit den in Byron Bay entwickelten Songs, zu denen sich auch noch einige gesellten, die sie gemeinsam mit ihrem Landsmann, dem Sänger und Songwriter Ron Sexsmith komponiert hatten, nach London. Hier erwartete sie der renommierte Produzent John Reynolds (Sinead O’Connor, U2), mit dem sie eine langjährige Freundschaft verbindet. Im Gegensatz zu dem eher pop-orientierten und aufwändig produzierten Debüt setzten sich Madison Violet diesmal zum Ziel, ihre Bühnenqualität und musikalischen Wurzeln in den Vordergrund zu stellen. Das Ergebnis ist ein ausgewogenes Singer-Songwriter-Album voller melodischem Reichtum. Mal schwärmerisch balladesk, mal dezent rockend, weisen die Songs alle Vorzüge von zeitgenössischem Alternative Country auf und haben doch den nötigen Pop-Appeal, um sich ein denkbar großes Publikum zu erschließen. Und während Lisa mit ihrem in der Tradition von Cape Breton stehenden Geigenspiel immer wieder Akzente setzt, kontert Brenley mit einem transparenten Gitarrenstil, der nicht selten deutliche Reverenzen an Nashville aufweist.
Mit einem Minimum an Overdubs und unter Verzicht auf jegliches Programmieren konzentrierten sich Brenley und Lisa zunächst ganz auf ihren Gesang, wobei sie sich beim Leadgesang abwechselten und bei den Gesangsharmonien perfekt ergänzten. Wie bei ihren Konzerten bilden Gitarren- und Geigenspiel den Motor der Songs. John Reynolds an den Drums und die Bassistin Claire Kenny (Indigo Girls, Damien Dempsey) fungierten als kongeniales Rhythmusgespann und Julian Wilson von der britischen Alternative-Country-Band Grand Drive saß am Piano und an der Hammondorgel. Für weitere Akzente sorgten Lap-Steel-Gitarrist Simin Alpin (Willard Grant Conspiracy, Teenage Fanclub), Dobro-Spieler Fiachna Braonain (Hothouse Flowers, Michelle Shocked) und Klassikgitarrist Hugh Segat.
„Caravan“ dokumentiert vor allem das gewachsene Selbstbewusstsein einer äußerst homogenen Partnerschaft als Songwriter und Livekünstlerinnen. „Jede Band braucht Zeit, um ihre wahre Identität zu finden“, erklärt Brenley. „Wir haben jetzt ein viel besseres Gefühl dafür, was wir gemeinsam erreichen können.“
Hatten sie in der Vergangenheit oftmals ihren Gesang getrennt voneinander aufgenommen, saßen sie sich nun bei den Aufnahmen gegenüber und ließen ihrem Talent für intuitive Harmonien freien Lauf. Brenley hat zwar auch diesmal das Gros beim Leadgesang übernommen – schönste Beispiele sind „Way Past The Hour“, „Skylight“ und „I Am An Only“ – aber diesmal war der kreative Input der beiden Waage-Geborenen wesentlich ausgewogener. Lisa ist bei drei Songs für den Leadgesang verantwortlich, darunter das beeindruckende „Prayed“, ein Song über Spiritualität, das Resultat aus einem nächtlichen, künstlerischen Geistesblitz. Nachdem sich Lisa in den letzten Jahren zunehmend aufs Gitarrenspiel konzentriert hatte, steht nun wieder die Geige mehr im Vordergrund, was übrigens bei den MacIsaacs Familientradition ist. So bildet ein fulminantes Geigensolo beim letzten Stück „Never Saw The Ending“ den hervorragenden Schlusspunkt des in sich geschlossenen Albums „Caravan“.
Auf ihr Debütalbum „Worry The Jury“, das ihnen in Kanada Top-40-Airplay, einen Radio Starmaker Award und einige East Coast Music Award Nominierungen einbrachte, blicken Madison Violet noch immer mit Stolz zurück. Doch repräsentiert „Caravan“ viel besser, was die Band bei ihren Konzerten ausmacht. Madison Violet sind ein passionierter Liveact, gleich ob als Duo oder mit ihrer Band, die im Wesentlichen aus dem Bassisten Adrian Lawryshyn und dem Schlagzeuger Robin Pirson besteht. Erst im letzten Jahr gewannen sie bei ihrer ersten Tournee durch Deutschland als Support von Runrig viele neue Fans hierzulande. In Australien, wo sie schon viermal auf Tournee waren, stehen sie denkbar hoch im Kurs einer wachsenden Folkbewegung. In Großbritannien (Support Hothouse Flowers; Woman, Wine and Song Tour 2007), der Schweiz (u.a. Montreux Jazz Festival) und in Dänemark haben sie auch schon ihre Aufwartung gemacht. Wo es ihnen besonders gut gefällt, da lassen sich die beiden Kosmopolitinnen gerne länger nieder.
Sowohl Brenley als auch Lisa sind schon von klein auf mit Folk und Country in Berührung gekommen. Bei Lisa liegt dies quasi in den Genen. Als kleines Mädchen spielte sie bei den Cape-Breton-Hauspartys auf und bereits als Teenager war sie professionelle Musikerin, die mit diversen Celtic Roadshows in Kanada landauf, landab tourte, unter anderem mit ihrem Bruder Ashley und dem auch hierzulande bekannten Sänger und Songwriter Bruce Guthro. Brenley, die in Ontario aufwuchs, hatte Eltern, die sich leidenschaftlich für Country begeisterten, während der Vater zudem die folkloristische Tradition von Cape Breton schätzte. Ihre erste wichtige eigene Band, Zoebliss, erinnerte dagegen eher an Portishead respektive eine folkige Variante von TripHop. „Das traf damals ganz meinen Geschmack, aber irgendwann habe ich mir wieder die Plattensammlung unserer Familie vorgenommen und war ganz erstaunt, wie viele Songs von Tammy Wynette und Charley Pride ich kannte.“ Viele Gemeinsamkeiten – nicht nur, dass ihre Väter sich noch von der Highschool kannten – entdeckten Lisa und Brenley auch nach der ersten zufälligen Begegnung vor acht Jahren, aus der nun ein Duo erwachsen ist, bei dem man die tiefe Freundschaft zwischen den beiden bei jedem Auftritt, bei jeder Aufnahme spürt.
Es ist die entspannte und organische Atmosphäre, die „Caravan“ zu etwas Besonderem macht. Die Songs strahlen eine natürliche Schönheit aus, einen Zauber, den John Reynolds in seinem Heimstudio in Notting Hill wunderbar eingefangen hat. Der feinfühlige Produzent hatte schon im Jahr 2001 Brenley und Lisa bei ihren Bandplänen unterstützt und war auch von ihrer letzten Entscheidung, die Songs wesentlich erdiger zu inszenieren, sofort angetan. Mittlerweile ist „Caravan“ sowohl letztes auch als dieses Jahr bei den East Coast Music Awards nominiert worden, Madison Violet als Gesangsgruppe des Jahres bei den Canadian Folk Music Awards. Während Brenley und Lisa in ihrer Heimat längst gefragte Stars sind, werden sie in unseren Breitengraden gerade zur rechten Zeit bekannt. Madison Violet reihen sich zweifellos ein in die Phalanx so selbstbewusster wie mitreißender weiblicher Acts wie die Corrs, Dixie Chicks oder Tegan & Sara, die allesamt ihre Wurzeln im Country und Folk haben, diese jedoch ganz individuell gedeihen lassen. Madison Violet überzeugen auf „Caravan“ mit vereinnahmenden Songs, in denen sich zwei starke Musikerpersönlichkeiten wie aus einem Guss präsentieren. Dieses wundervoll souveräne Werk mit seinen zehn Songs von kompositorischer Brillanz und produktionstechnischer Effizienz mag denkbar zeitlos wirken – es ist höchste Zeit, Madison Violet zu entdecken.
(Quelle: Alexandra Doerrie, Another Dimension) FORMAT: CD
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