Foto: James Minchin
Seeing Things [Pop]
LABEL: SMI
WEBSITE: www.jakobdylan.com
„Als mir irgendwann bewusst wurde, dass auf diesem Album fast ausschließlich Gitarre und Stimme zu hören sind”, sagt Jakob Dylan, “musste ich meine Arbeitsweise etwas umstellen – schließlich bleiben dann nur die Songs, um die Aufmerksamkeit des Hörers zu gewinnen.“
Die Stücke auf „Seeing Things“, Dylans erstem Solo-Album überhaupt, lassen in der Tat aufhorchen. Es sind sparsame, unverfälschte Kompositionen, aufs absolut Wesentliche reduziert - in einem Moment erfüllt von Furcht und Finsternis, im nächsten beseelt von heiterem Optimismus. Nach fünf Alben als Kopf der Grammy-Preisträger und (US-)Platin-Seller The Wallflowers präsentiert Dylan mit den zehn Songs des Longplayers einen faszinierenden neuen Aspekt seiner Arbeit.
„In einer Band verwendet man das Studio als zusätzliches Instrument, ob als Verbündeter oder als Kontrahent“, erklärt er. „Aber diesmal gab es kein Studio im Hintergrund, um die Songs zu dokumentieren. Ich wollte, dass das Studio unsichtbar bleibt, und dass dieser Mangel an Sound der Sound des Albums wird.“
Die Eingebung, diesen Schritt zu vollziehen, kam Dylan, als er als Support von T-Bone Burnett die USA bereiste, ein alter Freund, der u.a. das Wallflowers-Breakthrough-Album „Bringing Down The Horse“ produziert hatte. Dylan hatte zum damaligen Zeitpunkt zwar lediglich Wallflowers-Material, das er zum Besten geben konnte, aber eben diese Songs ausschließlich mit akustischer Gitarre zu spielen, wurde zu einer persönlichen Offenbarung.
„In dieser Form waren die Songs ursprünglich entstanden, und so hatten sie geklungen, bevor wir sie mit den Wallflowers aufnahmen”, sagt der 38-Jährige. „Ich beschloss, noch mehr Lieder zu schreiben, die ich in dieser Instrumentierung spielen kann.“
Doch zunächst musste er eine geeignete Stimme finden, die diesem Vorhaben entsprach. „Man will grundsätzlich, dass jedes Album eine Sprache hat, die einzigartig ist“, erklärt Dylan.
Das neue Kapitel in Dylans Oeuvre begann mit „Valley Of The Low Sun“, quasi einer musikalisch behutsam gestalteten Traumlandschaft. „Es gibt immer etwas, dass dir sagt, dass du ein neues Album begonnen hast“, sagt er, „und als es bei diesem Song ‚Klick’ gemacht hatte, war mir klar, dass der Startschuss gefallen war.“
Der Rest des Albums entstand in den darauf folgenden Monaten. Schließlich präsentierte Dylan die Songs Rick Rubin, dem frischgebackenen Chef seines Labels Columbia Records. Rubin, der legendäre Bands und Musiker wie Johnny Cash, Red Hot Chili Peppers, Dixie Chicks und Jay-Z produziert hatte, wurde Dylans Ratgeber und Wegweiser, um die Songs auf „Seeing Things“ zu entschlüsseln.
„Rick kam für mich gerade rechtzeitig zu Columbia, denn ich verspürte bei mir einen ziemlichen Stillstand“, erinnert sich Dylan. „Er verstand, auf was ich hinaus wollte und umgab mich mit einer Atmosphäre, die mir die Freiheit gab, dies auch umzusetzen.“ Rubins Unterstützung reichte soweit, dass er sogar die Location für die Sessions zur Verfügung stellte – der überwiegende Teil der Songs des Albums wurden seinem Studio in Hollywood aufgenommen.
Ein immer wieder kehrendes Motiv in den Texten auf „Seeing Things“ ist die Vision von Apokalypse und Krieg. Auf die Frage, ob diese Metaphorik ein Ergebnis der Zeiten sei, in denen wir leben, erklärt Dylan: „Ich wüsste nicht, wie man heutzutage etwas schreiben könnte, ohne dass solche Dinge einfließen.“ Gleichwohl ist ihm nicht daran gelegen, liberale Statements über aktuelle Ereignisse abzugeben. „Ich finde es nicht so interessant, bestimmte Momente zu nennen, Bezug auf sie zu nehmen oder wahre Geschichten zu schreiben. Ich bin viel zu fasziniert von der Schönheit der Worte. Es ist nicht wichtig, worüber du sprichst – wenn du es nur genau so ausdrückst, wie du es empfindest, wist du es später nie bereuen.“
Songs wie „All Day And All Night” gehen zurück auf die zeitlose Sprache der amerikanischen Roots-Musik. Obwohl Dylan oft modernere Bands wie The Clash als seine größte Inspiration nennt, versichert er, dass er mit seinen neuen Songs die Erhabenheit und Rätselhaftigkeit der großen Country-und Blues-Meister vor Augen hatte.
„Das sind die Sachen, die ich mir anhöre. Das ist das Vokabular, mit dem ich arbeite und zu dem ich immer wieder zurück kehren werde“, sagt er. „Wenn du ein Songwriter bis, solltest du dich auf diesem Territorium bewegen – DAS ist die Referenzmarke, an der wir uns messen sollten. Ich wollte Songs schreiben, die klingen, als seien sie schon immer hier gewesen, als habe man sie geradewegs aus einem Berg gehauen - und nicht irgendwo in einem Studio aufgenommen.“
Es gibt fürwahr nichts Eindimensionales an „Seeing Things“ – man nehme zum Beispiel die Freude, die Songs wie „Something Good This Way Comes“ innewohnt. „Mir war bewusst, dass es eine sehr dramatische Platte werden würde, aber andererseits empfinde ich diese optimistischen Dinge auch“, sagt Dylan. „Möglicherweise denken die Leute, dass ich deprimiert bin, wenn sie meine Songs hören, aber das bin ich ganz bestimmt nicht. Die Sachen, die ich schreibe, enthalten stets auch Hoffnung und Humor.“
Wallflowers-Fans müssen sich angesichts des Solo-Werks des Bandleaders keine Sorgen machen: Jakob Dylan versichert, dass die Band nach wie vor existiert und in bester Verfassung ist. „Seeing Things“ bedeute lediglich eine Auszeit, auf gar keinen Fall das endgültige Aus. „Die Wallflowers stehen für einen bestimmten Sound, und ich brauchte diesmal ganz einfach etwas anderes“, erklärt er. „Ich habe eine großartige Gruppe, und ich will ganz bestimmt noch mehr Alben mit ihnen aufnehmen. Aber ich hatte noch nie die Gelegenheit, meine eigene Stimme SO aus dem Lautsprechern zu hören wie auf ‚Seeing Things’.“
(Quelle: SonyBMG)
FORMAT: CD
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