WEBSITE: www.pyranja.de/
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Du bist ein Mädchen mit porzellanweißer Haut, blonden Haaren und Du kommst aus Rostock. Mit diesen Voraussetzungen wird man nicht HipHop-Künstlerin. Mädchen in der Männerwelt Rap. Keiner Minderheit zugehörig. Aus der mecklenburgischen Provinz. Geht alles überhaupt nicht.
Falsch, sagen die Superschlauen, die im Verlauf des letzten Jahres in der Ghettojugend-Debatte halb hingehört haben. Rostock-Lichtenhagen, die Werft-Schließungen: Das alles sind doch genau unsere Ghettos hier in Deutschland, unser South Central liegt nun mal an der Ostsee. Wieder falsch, auch das Klischee zieht sich eine Pyranja nicht an. Das Studium an der UdK Berlin ist fast abgeschlossen, erste richtige Jobs stehen in Aussicht, außerdem wohnt sie schon seit Jahren inmitten der Hauptstadt im Bezirk Prenzlauer Berg. So sieht ja keine Wende-Verliererin aus.
Pyranja definiert ihr Schaffen in erster Linie über das Inhaltliche. Rappen liegt ihr, mehr als jeder anderen Künstlerin in Deutschland, so möchte man sagen. Und deswegen ist Pyranja eigentlich auch die einzige MC der Republik, die sich immer ein Umfeld aus starken Jungs gesucht hat, mit denen sie sich messen konnte. Und so wirkte sie auch: hartes, kantiges Gesicht im Halbschatten einer Kapuzenjacke. Wenn „Million Dollar Baby“ ein deutscher Film gewesen wäre: Pyranja hätte in ihrem früheren Leben genau an Hillary Swanks Stelle gepasst. Und jetzt?
"Laut & Leise" zeigt völlig neue Seiten auf. Die junge Frau hat den Tomboy abgestreift und strahlt charismatisch, selbstbewusst und sehr attraktiv aus ihren Pressebildern: ein Lächeln, ein scharfer Blick aus wirklich sehr blauen Augen. Das verhuschte Indie-Mädchen hat sich in einer schönen und kraftvollen Persönlichkeit verflüchtigt.
Mit dem Äußeren geht auch ein Wandel im Inneren einher. Pyranja hat immer noch unanzweifelbare Rapskills und das neue Album bezieht Beats zu großen Teilen aus der Festplatte von Deutschlands Produzentenlegende Roe Beardie (Sido, Olli Banjo, noch tausende mehr). Wenn Pyranja will, dann haut sie immer noch einen dieser Monstertracks raus: hart, direkt, punchlinelastig. Man höre "Nur So" mit Olli Banjo. Danach kann man auch mal andächtig für ein paar Minuten die Klappe halten.
Echter Rap, sehr gut. Aber, und jetzt kommt ein großes und doch sehr positives ABER: Pyranja hat die weichen Inhalte für sich entdeckt. Die Zwischenmenschlichkeiten, die die Sonnenstudiofleischberge vom Berliner Stadtrand in ihren Texten nicht anfassen, weil sie Angst davor haben, die Maskerade fallen zu lassen. Der Großvater mit Licht- und Schattenseite eines Lebens zwischen Regimen und Staaten kommt in "1929" zu Wort. In "Auf & Ab" finden sich Parallelen zum eigenen Leben zwischen Erfolg und Alltagsfrust.
Am schönsten ist allerdings: Pyranja hat eine Sprache für die Liebe gefunden. Eine Sprache, die unpeinlich Frauen schildert, die sich nicht von einem starken Papi durchs Leben tragen lassen wollen, die selbst mitbestimmen, mit anfassen. "Männer & Jungs" schafft so ein Bild. Und richtig tief wird es dann bei "Wenn Du Wüsstest", wenn die heimlichen Sehnsüchte gegenüber dem besten Kumpel zur Sprache kommen, die sich eben nicht nur in einem gemeinsamen Bier nach Feierabend erschöpfen.
Und wenn die Liebe ein Ende findet? "Nie Wieder" zieht den Schlussstrich, nachdem alle Versuche mit Pralinen und Blumen völlige Makulatur sind. Rockbrett, Synthiesause und eine kraftvoll heraus gepeitschte Hook: "Nie Wieder" ist eine Hymne des Verlassens. Kein Wunder, dass Stefan Raab den Titel ausgewählt hat, um damit im Februar Mecklenburg-Vorpommern bei der zweiten Austragung seines Bundesvision Songcontests zu repräsentieren. Meck-Pomm ist ja nicht nur ein Herkunftsort für Pyranja: da gibt es Eltern, alte Freunde und ein Meer, auf dem es sich vortrefflich surfen lässt. Und außerdem: Konkurrenzkampf, mit und gegen andere Künstler, im Fernsehen? Das alte Feuer brennt immer noch in Pyranja. Let's bring it on!
Tracklisting:
1. Laut & Leise Intro
2. Fieser Panzer
3. Männer & Jungs
4. Nur So feat. Olli Banjo
5. Auf & Ab
6. Wenn Du Wüsstest
7. Ich Wollte
8. Nie Wieder (Album Version)
9. True Romance feat. Schivv
10. Brennpunkt feat. DraQ & Falgas aka Hamityvill
11. 1929
12. Vom Ossi zum Star
13. MV
14 Nie Wieder (Greg Danielz RMX) feat. Kimoe
(Quelle: Groove Attack, 3.2.2006) FORMAT: CD
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