Foto: Clay Patrick McBride
WEBSITE: www.boyslikegirls.com
Als es an die Aufnahmen für ihr zweites Album „Love Drunk“ ging, mussten Boys Like Girls nicht lange nach Inspiration Ausschau halten. Nachdem die Band aus Boston rund um die Veröffentlichung ihres 2008er-Debütalbums „Boys Like Girls“ (US-Platin für 700.000 verkaufte Einheiten), das u.a. den Top-40-Radiohit „The Great Escape“ enthielt, rund drei Jahre nonstop auf Tour zugebracht hatte, hatten die vier Musiker keinen Zweifel, wie sehr sie sich in dieser Zeit weiterentwickelt hatte und welch essentiellen Anteil ihre Fans an diesem Reifeprozess hatten.
„Wenn man seine Songs drei Jahre lang jeden Abend spielt, dann stellt man fest, wie sich die Interpretation verändert. Wenn man sich als Band weiter entwickelt, variiert man auch verschiedene Teile und Elemente immer weiter“, sagt Frontmann Martin Johnson über den Prozess, den das Quartett in den vergangenen dreieinhalb Jahren durchlebte. „Als wir ins Studio gingen und die Arbeiten an dem neuen Album begannen, war uns diese Einstellung in Fleisch und Blut über gegangen. Wir wollten kein Album schreiben, das genau so war wie das erste, wir wollten etwas machen, das uns und den Leuten Spaß macht, das anders und cool ist, und trotzdem auch die Wünsche unserer Fans erfüllt, die von Anfang an für uns da waren und uns erst ermöglichen, uns dahin zu entwickeln, wo wir heute sind. Sie sind für uns das Allerwichtigste.“
Also machten Boys Like Girls, was sie am besten können und entfachten im Studio die gleiche Dynamik, die auch zum Markenzeichen ihrer Liveshows geworden war. Das Album begann als einzelne Songs, die letzten Endes zu einer Performance wurden. In Zeiten, in denen Technologie alles bestimmt und Alben auf Knopfdruck und mit Hilfe eines Sample-Loops aufgenommen werden können, setzten Gitarrist Paul DiGiovanni, Bassist Brian Donahue und Drummer John Keefe alles daran, die Essenz ihre Band einzufangen, und größeren Wert auf Spontanität denn auf übertrieben makellose High-End-Verarbeitung zu legen. Diese Attitude prägte von jeher ihre Liveshows – und nun auch „Love Drunk“.
„Ich habe den Eindruck, dass die modernen Aufnahmemöglichkeiten die Bands in eine winzige, kleine Schachtel presst. Der Aufnahmeprozess ist eine Art futuristischer Krieg, wenn du eine super-komprimierte Platte masterst, dann weiter zu einem MP3 komprimierst, und dann noch weiter in irgendein anderes Format… Es gibt viel Musik, die einfach nicht mehr organisch klingt“, erklärt Johnson. „Wir hatten so viel Spaß, miteinander zu spielen, ich denke, unsere Musik hat sich durch das live Spielen in etwas Größeres entwickelt. Das Spektrum an Sounds, das auf diesem Album zu hören ist, ist immens. Es hat uns großen Spaß gemacht, alle Möglichkeiten auszuloten.“
Um einen Beweis für die Aussage zu finden, muss man sich eigentlich nur das Stück „Love Drunk“ anhören, den hymnischen Titelsong des Albums, der als erste Single ausgekoppelt wurde. Er handelt von der berauschenden Wirkung der Liebe. “I used to be love drunk, but now I’m hung over/ I’ll love you forever, forever is over/ We used to kiss all night, now it’s just a bar fight”, singt Johnson in dem Track, der sich musikalisch zwischen dem Poprock des bratzigen Boys-Like-Girls-Debütalbums und dem eher elektronischen Style der Killers oder Franz Ferdinand bewegt.
Mit „Heart Heart Heartbreak“ legen sie im Punkto Stadion-Sound noch mal eine Schippe drauf: die Strophe-Refrain-Gitarrensolo-Struktur des Songs ist wie geschaffen für eine Publikumsbeteiligung. „Contagious“ besticht mit treibenden Bässen und vielschichtigen Gesangsharmonien. Doch Boys Like Girls können auch anders: auf der sanften Ballade „Two Is Better Than One“ lassen sich die Jungs von Streichern unterstützen und bei der Mid-Tempo-Nummer „The First One“ schildert die Band einfühlsam, wie man mit gebrochenem Herz ins Leben zurück findet.
Die Songs des Album entstanden in Vancouver und New York unter der Regie verschiedener Produzenten: S*A*M and Sluggo (Metro Station, Cobra Starship, Gym Class Heroes) übersahen die Aufnahmen an der Ostküste, Brian Howes (Puddle of Mudd, Chris Cornell, Hinder) war an der Westküste der Mann hinter dem Mischpult. Doch obgleich jeweils eine Hälfte des Albums in verschiedenen Konstellationen produziert wurde, fügen sie beide Teile nahtlos aneinander und ergeben in der Summe einen unwiderstehlichen Gesamtsound. „Was an dieser Platte besonders Spaß gemacht hat, war, mit neuen Elementen zu experimentieren: eine Gesangslinie, eine Akkord-Folge oder irgendetwas anderes auszuprobieren, an die ich mich beim letzten Album noch nie gewagt hätte, aus Angst, Grenzen zu übertreten. Es ging uns darum, Spaß zu haben, etwas Einzigartiges zu machen und einen Sound zu erschaffen, den niemand zuvor so aufgenommen hatte. Und ich denke, wir haben dabei viele unserer selbst auferlegten Grenzen abgebaut.“
2007 wurden Boy Like Girls bei Spin.com zum „Artist Of The Year“ gekürt – dabei entfielen unglaubliche 68% der abgegebenen Stimmen auf das Quartett. In den drei Jahren, die die Band auf Tour verbrachte, traten sie u.a. mit Good Charlotte, Avril Lavigne und auf der „Vans Warpes Tour“ auf und erspielten sich schnell eine große und loyale Fanbasis. Am Ende ihres rasanten Aufstiegs von der kleinen Rockband, deren Ernährung ausschließlich aus Ramen–Nudeln besteht und die darauf angewiesen ist, nach den Konzerten bei ihren Fans auf dem Boden zu schlafen, zu Rock-Shootingstars stehen u.a. drei Millionen verkaufte Download-Singles (darunter 1,5 Millionen Einheiten von „The Great Ecsape“, 900.000 von „Hero/Heroine“ und 600.000 von „Thunder“) und ein umjubeltes Homecoming-Konzert, das im November 2008 unter dem Titel „Readbetweenthelines“ als DVD veröffentlicht wurde.
„Es war eine unglaubliche Kette von Ereignisse, die sich immer weiter gesteigert hat“, erinnert sich Johnson, Hauptsongwriter der Band. „Einmal abgesehen vom Erlebnis, diese Riesen-Shows vor all diesen großartigen Leuten spielen zu können, war das Faszinierendste an der ganzen Sache, mitzuerleben, wie in unserer Anfangszeit zu jedem Konzert mehr Leute kamen – und das nur durch Mundpropaganda. Unsere Songs liefen da noch nicht im Radio, aber durch unsere Konzerte mit verschiedensten Bands wie Hello Goodbye und All American Rejects sangen die Leute plötzlich die Texte unserer Lieder mit. Bevor wir richtig kapierten, was geschah, hatten wir 100.000 Platten verkauft und wir gingen mit „The Great Escape“ ans Radio. Es fegte wie ein irrsinniger Wirbelsturm über uns hinweg, es war einfach unglaublich, das alles mitzuerleben. Und dann als Headliner in der eigenen Heimatstadt auftreten zu können und die Reaktionen des Publikums dort zu erleben – das ist wirklich etwas Einmaliges. Wenn ich alles noch mal machen könnte, ich würde alles wieder genau so tun.“
„Ich denke, keiner weiß so richtig, was er von uns auf unserer neuen Platte erwarten kann, aber sobald die Leute unsere neuen Songs hören, werden sie verstehen, welchen Reifeprozess wir durchgemacht haben. Es war nicht einfach und es lastete ganz gewiss ein großer Druck auf uns, aber es war für uns ein Riesenschritt nach vorn.“
BOYS LIKE GIRLS
Martin Johnson - Vocals, Guitar
Paul DiGiovanni - Lead Guitar, Vocals
Brian Donahue - Bass Guitar, Vocals
John Keefe - Drums, Percussion
(Quelle: Sony Music, 2010)
FORMAT: CD
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