Die fünf Jungs, die sich hinter dem Namen THE WANTED verbergen, haben eine Mission: Sie haben es sich auf die Fahne geschrieben, endlich wieder eine gehörige Dosis Coolness – was bei ihnen auch heißt: eine gute Portion Sex-Appeal – in die sonst so sterile Plastikwelt der Boybands zu bringen. Und mal ganz ehrlich: Das war auch höchste Zeit.
Dabei wirkt allein die Bezeichnung Boyband ziemlich daneben, wenn man sich den lässigen Haufen mal etwas genauer ansieht, der sich fürs Gespräch in einer angesagten Kneipe in East London eingefunden hat – vielleicht wären Kumpel-Combo oder Kollegen-Band in diesem Fall eher angebracht. Fest steht: Diese Typen sind meilenweit von dem üblichen Beim-Wechsel-der-Tonart-schön-stramm-dastehen-Zeug entfernt; sie haben mit blauäugigen Weicheier-Balladen und unfassbar mies aufeinander abgestimmten Outfits mal so GAR NICHTS am Hut. Insofern: Vergiss das mit der nächsten großen Boyband am besten gleich wieder. Das hier ist eine ganz andere Nummer.
Eine angenehm hemdsärmelige Kumpelhaftigkeit liegt in der Luft, wenn man die fünf so auf einem Haufen betrachtet – man sieht förmlich, dass man es hier nicht nur mit den UK-Senkrechtstartern des Jahres zu tun hat (ihre aktuelle Single "All Time Low" ist gerade erst direkt auf Platz #1 in die UK-Charts eingestiegen), sondern vor allem mit echten Buddys, die zusammen durch dick und dünn gehen würden. "Wir sind eigentlich fünf ganz normale Typen, die sich gerne ein bisschen amüsieren", sagt der 16-jährige Nathan mit seinem Babyface. Er ist das Küken der Truppe. "Wir alle sind schon sehr unterschiedlich drauf, und wir kommen ja auch aus ganz verschiedenen Ecken, aber irgendwie passt das alles einfach perfekt zusammen."
Früher als aufstrebender Fußballgott in Manchester gefeiert (und spätestens jetzt eher als Frauenschwarm aktiv), kommt Max mit einer Runde Drinks von der Bar zurück und setzt dazu an, die einzelnen Mitglieder von THE WANTED zu beschreiben: "Nun, Siva ist eher so der entspannte Typ, bei ihm ist alles Zen. Jay ist ein echtes Indie-Kid, und Nathan – man sollte zwar meinen, dass er noch so klein und niedlich ist, aber in Wirklichkeit hat er es faustdick hinter den Ohren und macht eine sarkastische Bemerkung nach der anderen." Es folgt eine kurze Pause, dann ein Grinsen. "Oh ja, und Tom gibt es ja auch noch – das ist einfach nur irgendein Typ aus Bolton."
Seit einigen Monaten leben diese fünf Jungspunde nun schon zusammen in einer Junggesellenbruchbude in Wandsworth im Süden von London. Bezeichnenderweise haben sie sich zunächst darum gekümmert, dass ein Kicker in die Wohnung kommt, bevor sie überhaupt daran dachten, so langweilige Dinge wie Möbel oder Vorhänge zu organisieren. "Wir haben eine Dartscheibe an der Tür, einen Kühlschrank voller Bier und eine Gefriertruhe, die randvoll mit Tiefkühlpizzen ist. Was braucht man mehr?" meint Tom, dessen heftiger Akzent ihn tatsächlich als Typ aus Bolton entlarvt.
Doch passiert in ihrem Leben momentan noch sehr viel mehr als Pizza-Dinner-Abende und Biergelage, denn sie haben in den vergangenen Monaten auch ordentlich an ihrem ungewöhnlichen Popsound gefeilt – ein Sound übrigens, der jede Menge Ecken und Kanten hat und so unterschiedliche Dinge wie satte und basslastige Beats, Rock-Elemente und große Popmelodien zu einem Mix vereint, für das es ab sofort nur einen Namen geben kann: THE WANTED.
"Ich würde ja zustimmen, was das mit dem Pop mit Ecken und Kanten betrifft, aber da ist auch eine Dosis Rock im Spiel, und den Indie-Einschlag darf man auch nicht vergessen", räumt Jay ein. "Wir gehen halt auch mal ein paar Risiken ein – schon deshalb klingt das alles vollkommen anders als der ganze Boyband-Durchschnittsbrei."
Genau genommen haben THE WANTED in den vergangenen 12 Monaten noch mehr getrieben: Sie sind wie verrückt durch ganz Europa gejettet, um mit ein paar der wichtigsten Größen im Popbusiness zu arbeiten: Mal schlugen sie beim dänischen Pop-Wizard Cutfather (Christina Aguilera, Pixie Lott, Santana) in Kopenhagen auf, um gemeinsam mit ihm Stücke zu schreiben. Dann schauten sie bei Rami & Carl Falk (‘N Sync, Britney) in Schweden vorbei. Zurück in UK gelandet, feilten sie unter anderem mit Steve Mac (Kelly Clarkson) oder Guy Chambers (Robbie Williams, James Blunt) an ihren Songs, bis alles so gut klang, dass sie es selbst kaum fassen konnten: "Ich muss sagen, dass ich der mit Abstand größte Fan von All Time Low bin", sagt Max über die erste #1-Single von THE WANTED, die von Steve Mac und Wayne Hector geschrieben wurde. "Der Track bringt perfekt auf den Punkt, worum es uns als Band geht. Außerdem finde ich es grandios, dass das Stück so ruhig beginnt, nur mit Gesang und ein paar Streichern, um dann immer fetter zu werden, bis daraus schließlich dieser massive Soundteppich wird."
"Plötzlich mit einem Typen wie Guy im Studio zu stehen, davon waren wir zunächst schon ein wenig eingeschüchtert – schließlich ist er ja doch so eine Art Legende, was?", meint Siva über ihre Zusammenarbeit mit Mr. Chambers. "Ich hätte mir beinahe in die Hosen gemacht", fällt ihm Nathan unterstützend ins Wort. Doch gemeinsam mit diesem Mr. Chambers haben THE WANTED den grandiosen Track Let’s Get Ugly aufgenommen, in dem ein klassisches Italowestern-Sample von Ennio Morricone auf ein sattes Fundament geschweißt wird, während THE WANTED an die Großspurigkeit eines jungen Robbie Williams anknüpfen – was insgesamt einen Song ergibt, der vollkommen anders klingt als alles, was einem sonst in der zeitgenössischen Poplandschaft geboten wird.
"Ich liebe dieses Stück! Dieser Nummer haben wir übrigens auch den Namen THE WANTED zu verdanken. Das war Nathans Idee", berichtet Tom. "Ich bin wegen dieser ganzen Westernatmosphäre, die in dem Stück mitschwingt, auf den Namen gekommen; und er klingt einfach cool, nicht so cheesy wie andere Namen!", fügt Nathan hinzu. "Wir haben einfach keine Zeit für derartigen Firlefanz und den ganzen cheesy Kram."
JAY:
Er würde einem zwar für eine derartige Aussage an die Kehle springen, aber man könnte den 19-jährigen Jay McGuiness mit seinen Wuschelhaaren durchaus als den Billy Elliot der Band bezeichnen. "Mann, hör mir bloß auf damit! Das geht ja gar nicht", sagt er lachend. Aber wir wollen dennoch daran festhalten, denn der Vergleich passt einfach zu gut: Der in Nottingham in einem fußballverrückten Haushalt aufgewachsene Jay – nicht nur seine drei Brüder gingen voll auf Fußball ab, sondern auch seine Schwester und selbst seine Mutter, die in ihrem Team sogar die Kapitänsbinde trug – fiel schon immer aus der Reihe: "Ich war einfach so unglaublich schlecht als Fußballer. Alle haben mich früher immer ‘Bananenflanke’ genannt, weil ich den Ball einfach nicht geradeaus schießen konnte", berichtet er prustend. "Also saß ich immer zu Hause mit einer Tüte Chips vor dem Fernseher, während der Rest der Familie draußen über den Platz rannte."
Doch all das sollte sich schlagartig ändern, als Jay mit 13 das Tanzen für sich entdeckte (ganz zufällig übrigens, weil er ausnahmsweise das Sofa verlassen hatte und seiner Mutter blindlings gefolgt war). "Das war die einzige Sache, in der ich richtig gut war. Darum war ich auch so richtig besessen davon." Wenige Jahre später, in denen er an der Midlands Academy of Dance & Drama – kurz: MADD (Kommentar: "Ja, so lautet die offizielle Abkürzung tatsächlich! Allerdings ging es da nicht so zu wie in der Serie ‘Glee’.") – an seinen Skills gearbeitet hatte, hieß es für ihn, sich überall zu präsentieren und den zermürbenden Vortanz-Marathon über sich ergehen zu lassen. "Dabei muss man bedenken, dass ich ganz anders drauf bin als andere Tänzer: Sie standen allesamt auf R&B-Zeug, während ich auf Indie-Sachen und Jack Penate oder Cat Stevens abgehe", berichtet Jay. Dennoch biss er in den sauren Apfel und ging zum Vorsingen für THE WANTED. "Deshalb bin ich auch so wahnsinnig froh darüber, die anderen Jungs kennen gelernt zu haben: Endlich hab ich mal eine Gruppe gefunden, die anders ist und in die ich wirklich reinpasse."
NATHAN:
Obwohl er sich selbst als den Schweigsamen in der Gruppe bezeichnet, nimmt der 16-jährige Nathan Sykes den Mund ganz schön voll: "Mag zwar sein, dass ich auf dem Papier das jüngste Mitglied bin, aber innerlich fühle ich mich fast schon wie ein alter Mann", setzt er an. "Ich ziehe mich einfach mit einer Tasse Tee in die Ecke zurück und lasse alles auf mich wirken, was um mich herum geschieht", fügt er hinzu, um gleich im Anschluss ein paar heftige Anekdoten über seine Bandkollegen und deren Mätzchen vom Stapel zu lassen.
Nachdem er schon als Kind ein kleiner Musikfanatiker war, saß er bereits mit sieben am Klavier, konnte seiner jüngeren Schwester jedoch nicht das Wasser reichen: "Ja, ich muss gestehen, dass ich unterirdisch schlecht war. Meine kleine Schwester war viel besser als ich", so sein Kommentar, in dem die für ihn typische Mischung aus Humor und Selbstironie mitschwingt. Doch auf diese Worte sollte man nicht allzu viel geben: Bereits mit 12 erspielte er sich einen begehrten Platz an der Sylvia Young Theatre School, was für ihn täglich sechs Stunden Zugfahren bedeutete, weil er nunmehr zwischen Gloucester und London pendeln musste. "Die anderen haben sich wahrscheinlich jedes Mal gedacht, dass da wieder der Übergeschnappte kommt, der jeden Morgen um fünf aufsteht, um hierher zu fahren."
Während er momentan versucht, neben THE WANTED auch noch sein Abitur zu machen, freut sich Nathan definitiv am meisten auf die anstehende Clubtour der Band: "Ich kann’s kaum abwarten! Scheiß auf die Auftritte – endlich mal ohne Probleme an den Türstehern vorbeizukommen ist schon der Hammer."
SIVA:
Wenn man ihn so betrachtet – das markante Kinn, die ausgeprägten Wangenknochen, überhaupt sein wahnsinnig gutes Aussehen, dazu diese Gelassenheit und eine ordentliche Portion Selbstvertrauen, was ihn sehr viel reifer wirken lässt –, könnte man meinen, der 21-jährige Siva Kaneswaran sei quasi zum Popstar geboren worden. "Was das Selbstvertrauen betrifft, könnte das daran liegen, dass ich aus einer sehr großen Familie stamme und wir uns immer alle gegenseitig unterstützt und gefördert haben", sagt der junge Mann mit srilankischen und irischen Wurzeln und bezieht sich damit auf seine sieben Geschwister, was ein wenig nach der Dubliner Version des Jackson-Clans klingt. "Ich denke schon, dass man dadurch ein derartiges Selbstvertrauen entwickeln kann."
Da seine älteste Schwester Hazel beinahe bei Girls Aloud gelandet wäre, und Gayle, eine weitere Schwester, in Irland zu den begehrtesten Models zählt, hatte Siva schon als Teenager die besten Voraussetzungen für den Schritt vor die Kamera: Zusammen mit seinem eineiigen Zwillingsbruder Kumar (Sivas Kommentar: "Nun, es gibt da schon ein paar Unterschiede zwischen uns beiden.") feierte er zunächst erste Erfolge als Model-Team, um dann auch als Schauspieler zu überzeugen.
"Trotzdem hat mir die Musik schon immer am meisten bedeutet", sagt er. "Zusammen mit meinem großen Bruder Trevor – noch so ein Bruder von mir – hab ich jahrelang an eigenen Songideen gefeilt."
TOM:
Auf den ersten Blick könnte man Tom Parker aus Bolton glatt für den Witzbold der THE-WANTED-Truppe halten, doch wenn man ihn auf seine Gitarre anspricht, wird er plötzlich todernst: "Man kann definitiv sagen, dass meine Gitarre mein Leben verändert hat", so der 21-Jährige mit der heiseren Stimme. "Bis ich mit 16 meine erste Gitarre in den Händen hielt, habe ich mir ehrlich gesagt gar nicht so viel aus Musik gemacht. Inzwischen ist sie mein bester Freund: Egal wo ich gerade bin, muss ich sie einfach auspacken und loslegen."
Und während er sich daran versuchte, die Akkordfolgen seiner Lieblingssongs rauszuhören, entdeckte Tom noch etwas: sein Gesangstalent. "Musiker wie Stereophonics und Liam Gallagher haben mich enorm geprägt. Meine Stimme ist ziemlich rau, sie klingt nach Rock, und ich bin froh darüber, dass ich nie zum Gesangsunterricht gegangen bin, weil sie einem da einen gewissen Style antrainieren und alles andere unterbinden wollen. Ich habe mir das alles irgendwie selbst beigebracht." Und dann wurde Tom irgendwann klar, dass er auf die Bühne gehörte.
Man muss sich nur fünf Minuten in der Nähe von Tom aufhalten, um zu erkennen, wie sein unaufhaltsamer Tatendrang und seine charmante Nach-mir-die-Sintflut-Einstellung ihn unweigerlich ins Zentrum jeder Party katapultieren. "Nun, ich würde sagen, dass Max und ich diese Rolle bei THE WANTED übernehmen", korrigiert er. "Wir beide lassen uns immer ordentlich gehen, wenn es irgendwo etwas zu feiern gibt; allerdings wissen auch die anderen, wie man sich amüsiert. Nur Nathan ist vielleicht noch nicht ganz so wild, weil er noch ein paar Jahre jünger ist, aber wir sorgen schon noch dafür, dass er zum Partytier wird!"
MAX:
In einem anderen Leben hätte für den 21-jährigen Max George alles ganz anders laufen können: Er war gerade mal alt genug, um gegen einen Ball zu treten, da drehte sich bei ihm schon alles um Fußball (und er trifft sich nach wie vor jeden Freitag mit seinem Vater und seinem Großvater in einer Kneipe, um über sein Team, Manchester City, zu palavern); daher gab es eigentlich nur einen Traumberuf für ihn: Profifußballer. Doch mit 16 platzte dieser Traum bereits: "Ja, mir ist da ein Muskel an der Hüfte einfach durchgerissen", erinnert er sich mit einem Gesichtsausdruck, der nach Krankenhaus und Krücken aussieht. "Damit war meine angedachte Karriere als Fußballer dann auch schon vorbei."
Zum Glück dauerte es gar nicht lange, bis Max den Schock überwunden und die nächste Sache für sich entdeckt hatte: Pop. Über die nötige Stimme, das Aussehen und die Ausstrahlung verfügte er bereits, und so landete er schon bald in der Boy-Band Avenue, mit der er erste Erfahrungen sammeln konnte – Erfahrungen wohlgemerkt, die nicht immer schön waren, denn er lernte schlagartig die harte Realität der Musikindustrie kennen. "Das war trotzdem gut: Ich habe viel dadurch gelernt, so sehe ich das heute zumindest", sagt er. "Was wir fünf hier machen, hat damit zum Glück nichts zu tun. Wir spielen in einer ganz anderen Liga."
Da Max zu den älteren Jungs von THE WANTED zählt, neigen die anderen dazu, zu ihm wie zu einem älteren Bruder aufzuschauen. "Ja, das kann schon sein. Zumindest, wenn es darum geht, einen Schuldigen zu finden oder wenn einer mal wieder den Anschiss für das ganze Team einstecken soll, dann bin ich meist derjenige", sagt er lachend. "Daran könnte es liegen, und daran, dass alle immer zu mir ins Zimmer kommen, weil ich der einzige bin, der Sky empfangen kann."