Sumpfig, psychedelisch, ekstatisch, wild. Alles Eigenschaften, die den Sound von Black Mountain aus Vancouver gut beschreiben und auch auf das dritte Album "Wilderness Heart" zutreffen. Präzise pulsieren die Songs und bilden in ihrer Gesamtheit und trotz stilistischer Ausflüge zu Folk und Metal, das wohl homogenste Werk des Quintetts.
Ein Rock-Album durch und durch. Entstanden und aufgenommen wurden die 10 Songs in den London Bridge Studios in Seattle und Sunset Sound in Hollywood und man hört den Songs ihre Herkunft an. Joshua Wells (Schlagzeuger): „Die Umgebung in L.A. hat eindeutig den Aufnahmeprozess und wie wir spielen beeinflusst. Die Sessions aus L.A. klingen frei und sommerlich. Die Sessions aus Seattle, die wir in der grauen, verregneten Umgebung aufgenommen haben, die wir hier oben kennen, klingen kühler und klaustrophischer“
Die große Geschichte der mythischen Bandfindung von BLACK MOUNTAIN gibt es nicht: „Die Meisten von uns standen in ähnlichen T-Shirts oder Schuhen auf Parties herum und nickten im Takt zu coolen Stücken aus der Anlage“, erklärt Stephen McBean. „Die anderen hatten wir schon vorher von hinter einer Wand gehört, aber nie gesehen. Und dann passierte das Übliche: man raucht zusammen eine, trinkt einen Schnaps und eh man sich versieht, landet man für den Rest des Lebens zusammen in einem Van.“
In den späten 90ern war Vancouver nicht gerade als Brutstätte einer lärmenden Psych-Rock Szene bekannt. „So wie jede andere Stadt hatte auch Vancouver Jahre, in denen es der Szene gut ging, gefolgt von musikalischen Dürrejahren“, erklärt Matt Camirand. „Wenn eine Stadt auf musikalischer Hochzeitsreise ist, dann geht jeder zu Konzerten, es finden mehr Konzerte statt, mehr Menschen gründen Bands und so weiter. Aber es dauert nicht lange, bis das alles umschlägt; die Menschen fangen an, sich daran zu gewöhnen, dass immer etwas los ist, gehen nicht mehr zu so vielen Shows und schon stirbt das ganze Gebilde aus wie die Dinosaurier. Ich glaube, als BLACK MOUNTAIN anfingen, näherte sich Vancouver bereits dem Ende des Honeymoons.“
Und doch war es dieser Mangel an musikalischem Geist, der vielleicht auf der einen Seite entmutigend war, auf der der anderen Seite aber auch für ungeahnte künstlerische Entfaltungsmöglichkeiten sorgte. Die ästhetische Freiheit half einem Sound auf die Welt – sumpfig, psychedelisch, ekstatisch, wild – der in der Indiewelt nur wenige direkte Verwandte hatte. „Die komplette Gleichgültigkeit gegenüber der Rockmusik – zumindest zur Zeit der Bandgründung; heute ist das vielleicht ein wenig anders – ließ uns ganz unbedarft an die Sache herangehen“, fügt Jonathan Wells hinzu. „Weil es sowieso niemanden interessiert hat, mussten wir auch keine Musik für eine bestimmte Gruppe von Leuten machen.“
Aus den Partys in feuchten Kellern gingen dann ganz organisch BLACK MOUNTAIN hervor – Sängerin Amber Webber wurde von einer anderen Band ausgeliehen und für die 2003er-Tour rekrutiert. Jeremy Schmidt, der im gleichen Haus wie Wells, nur ein Stockwerk tiefer, wohnte, wurde aufgrund seines „Solo Synth-Scape/Space Rock“ engagiert, der den Rest der Band laut Wells „von den Socken blies“ und ließ direkt ein paar Solo Lo-Fi Aufnahmen vom Stapel. Es waren diese Tracks, die 2005 zum Vertrag mit Jagjaguwar und schließlich zum hochgelobten selbstbetitelten Debüt führten.
„Die Band kam eigentlich erst so richtig während der Aufnahmen zur ersten Platte zusammen“, erinnert sich Schmidt. Der Nachfolger, „In The Future“, entzückte 2008 die Kritiker und führte auf Fanseite zu stolz erhobenen Devilhorns.
Die dritte BLACK MOUNTAIN LP, „Wilderness Heart“, wurde an der Westküste Amerikas errichtet - zwischen den London Bridge Studios in Seattle und Sunset Sound, einer alten Autowerkstatt in Hollywood, deren ersten Studioaufträge von Disney kamen (Songs für „Bambi“, „Mary Poppins“ und „101 Dalmatiner“ wurden hier aufgenommen), bevor die Doors, Ringo Starr und die Rolling Stones den Rock’n’Roll anschleppten.
L.A. mit seinen Tacos und Sonnenuntergängen, den Stars und Sternchen, den Hügeln und dem Kitsch war eine nicht zu unterschätzende Inspiration. „Die Umgebung in L.A. hat eindeutig den Aufnahmeprozess und wie wir spielen beeinflusst. Die Sessions aus L.A. klingen frei und sommerlich. Die Sessions aus Seattle, die wir in der grauen, verregneten Umgebung aufgenommen haben, die wir hier oben kennen, klingen kühler und klaustrophischer“, erklärt Wells.
McBean führt aus: „Die paar Tage bei Sunset Sound haben jedem ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Wir wurden ziemlich verwöhnt, was das Benutzen von fast schon historischem Equipment angeht. Es ist schon etwas Besonderes, eine alte Martin oder Gibson Gitarre zu spielen und sich auszumalen, wie viele Hände schon auf dieser Gitarre gespielt haben und wie viele Songs auf ihr geschrieben wurden. Man kann sie dann einfach nicht aus der Hand legen; man will die Tradition fortführen.“
„Wilderness Heart“ ist bis zum Rand gefüllt mit prägnanten Rocksongs, die mit verblüffender Präzision zuschlagen und pulsieren: Es haut dich um und du kannst nicht genug bekommen. Das Album ist ohne Zweifel das tighteste Werk von BLACK MOUNTAIN, das ohne Umschweife auf den Punkt kommt, aber noch immer jede Menge Platz für rohe Rock’n‘Roll-Energie lässt. Metal und Folk kommen zu Wort, was heißt, dass es sich hier um ein Popalbum handelt. Zumindest für BLACK MOUNTAIN. Was aber auch heißt, dass es überhaupt nicht poppig ist.
McBean: „Ich werde nicht sagen, dass das unsere beste Platte ist oder die Platte, von der wir immer geträumt haben, weil jede Band das sagt. ‚Wilderness Heart“ ist ein Schnapschuss eines bestimmten Momentes. Man kann die Elektrizität oder die Art und Weise, wie sich deine Gliedmaßen an einem bestimmten Tag bewegen, nicht beeinflussen. Man muss die Visionen außen vor lassen und einfach mit dem Flow gehen.“
Wells: „Wir haben die Platte unglaublich schnell eingespielt. Normalerweise verbringen wir viel Zeit damit, über die Songs zu diskutieren und Aufnahmesessions auszuweiten, aber ‚Wilderness Heart‘ haben wir in nur vier Monaten aufgenommen, was uns wie ein Wunder vorkommt. Wir haben niemals zuvor mit Produzenten zusammengearbeitet. Das war eine echte Herausforderung für uns. Wir haben eine Zeit gebraucht, um loszulassen und zwei Außenstehende in den ganzen Prozess einzuweihen, aber das Album profitiert davon.“
Die Band nennt einige ungleiche Einflusse ihr Eigen: New Order, King Crimson, Studio 54, Alex Chilton, den Sonnenschein, Janis Joplin, „Please Kill Me“, Shirley Collins, Mickey Newbury, Jalapeno Salsa, „Night Of The Hunter“, Restaurants der mexikanischen Kette Cactus Taqueria, Funky16Corners Podcasts, Dennis Wilson, das Haus, das am Ende von „Zabriskie Point“ in die Luft fliegt, aber – um es mit den Worten von Keyboarder Jeremy Schmidt zu sagen – „wer weiß schon, wie diese Dinge mit dem ganzheitlichen Konzept aus dissonanten Kräften zusammenhängen, die sich zu BLACK MOUNTAIN aufaddieren.“
Richtig: selbst hören und staunen.