Foto: Motor
WEBSITE: herrenmusik.de
Atzelgift – Rheinland Pfalz. Der staatlich anerkannte Erholungsort liegt am Eingang der Kroppacher Schweiz und wurde erstmals in der Urkunde vom 15. Juni 1396 als "Hatzelgufte" erwähnt. Der Ortsnamen bedeutet "Dort wo die Elstern rufen". „Im Ortswappen wird dieser Bezug verdeutlicht“, sagt die Website. Man sieht eine Elster, darüber ein Rad. Was das verdeutlichen soll, sagt einem natürlich wieder mal niemand.
Warum das Debütalbum der Hamburger Band Herrenmagazin „Atzelgift“ heißen soll, sagt einem schließlich auch niemand. Auch nicht Deniz Jaspersen, der Sänger der Band, der sich mit Händen und Füßen dagegen wehrt, sich verorten zu lassen. Der es überhaupt nicht mag, wenn auf irgendetwas konkret Bezug genommen wird, womit man die Band vergleichen könnte. Der sagt, dass er Randsituationen mag, körperliche Extreme, menschliche Extreme, Boris Jelzin, den Ghetto Tanz Krumping. Aber wenn man das gerne schreiben möchte, wehrt er mit beiden Händen ab. Bloß nicht so greifbar werden. Herrenmagazin ist eine so zwiespältige Band, dass man auch gar nicht genau hinfassen kann. Auf der einen Seite ist die der Bandalltag, die wahnsinnige Freude an allem, was Spaß macht: Hundefotos, Schnaps, Mist reden, lachen, mehr Schnaps. Auf der anderen Seite: Eine sehr schwermütige Musik, geboren aus Moll-lastigem Postpunk und dem verlorenen Glauben an so ziemlich alles. „Wir haben nichts vereinbart, ruinier Dir nicht die Knochen, denn wer den Preis nicht kennt, der wird eben gebrochen“ singt Deniz Jaspersen in resignativer Verzweiflung im Titeltrack.
Auch „1000 Städte“ und „Geht Nicht Über Nacht“, zwei der stärksten Stücke des Albums und in Tempo und Intensität durchaus mit Rumms gesegnet, sind nicht dazu geeignet, erste Dates zu beschallen. Aber nach letzten Dates, da ist das gut, in den zwei Stunden zwischen Kater und erstes Bier, da ist das richtig gut. Dunkle Sätze für Zwischenmomente von Typen, deren Leben zum Großteil aus Zwischenmomenten zu bestehen scheinen. Die ständig vor Konzerten ihre Merchandise-Kiste zu Haus oder im Proberaum liegen lassen, niemals eine einzige Demo-CD aus eigenem Antrieb verschickt haben und wichtige bandinterne Besprechnungen über dem Schweinekrustenbraten im Ofen schlicht vergessen.
Eine Band, die sich für keine peinliche Maskerade auf den Bühne zu schade ist, wenns nur dem Abend dienlich ist, aber gleichsam mit einem derartigen Elan an die Konzerte herangeht, dass sich der Trommler bei den letzten Takten des abschließenden Liedes beinahe vor Erschöpfung übergibt.
Es ist an der Zeit, dieses System jetzt mal zu personalisieren: Deniz Jaspersen hatten wir ja schon, Halbtürke, kocht gern, isst gern. Philip Wildfang, ebenfalls Halbtürke, isst noch mehr, spielt Gitarre. Paul Konopacka, Bassgitarre, jung. Kocht am besten. Und schließlich Rasmus Engler, Schlagzeuger, Buchautor, zeitgleich mit dem Stadlober bei „Gary“. Der einzige mit erzählbarer Geschichte. Bezeichnend, wie Markus Wiebusch von Kettcar über die Band spricht: „In Hamburg raunten es sich die Menschen schon länger zu: Rasmus Engler hat ne neue Band, die können was, die werden was. Vielbeachtetes Demo hier, umjubelter Auftritt da. Und jetzt also das Debutalbum. Wir machen es kurz: Das Album hält jedes Versprechen. Die Punksozialisation der Bandmitglieder weht durch alle Songs. Spitzenproduktion, Spitzensongs."
Und Deniz ist für diese Geschichte mit dem bekannten Schlagzeuger sehr dankbar: „Wir haben irgendwie ein Demo mit vier Songs aufgenommen und ein, zwei Konzerte gespielt und die haben sich dann sofort alle angesehen. Jan Müller von Tocotronic und der ehemalige Blumfeld-Manager Oliver Frank haben uns dann sofort in ihren Musikverlag aufgenommen und den Vertrag mit Motor hatten wir auch sofort. Weil alle den Rasmus kannten. Wir konnten uns dadurch auf das Wesentliche konzentrieren: Saufen“. Die Band Herrenmagazin und ihr Debütalbum „Atzelgift“ sind sehr zu empfehlen.
(Quelle: Christian Reither, Motor)
FORMAT: CD
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