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CD-DETAILS ANNA CALVI [CALVI, ANNA]


Foto: Plattenfirma

Calvi, Anna

Anna Calvi [Rock / Alternative]


RELEASE: 14.01.2011


LABEL: Domino Records

VERTRIEB: GoodToGo

WEBSITE: www.annacalvi.com

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Brian Eno und Nick Cave sind ihr bereits verfallen, der Chef des englischen Indie-Labels Domino, Laurence Bell, hat sie sofort unter Vertrag genommen und die düster rockenden Haudegen von Grinderman (dem Soloprojekt von Nick Cave) hat die Musik der zierlichen Londonerin so fasziniert, dass sie Anna Calvi als Vorprogramm auf ihrer jüngsten Europatour eingeladen haben. Dort konnte Anna Calvi und ihre Band bestehend aus Drummer Daniel Maiden-Woos und der Multiinstrumentalistin Mally Harpaz das Grinderman-Publikum sowohl beeindrucken als auch verstören mit einer ungewöhnlichen morbider Musikalität und Dramatik und phänomenalen Bühnenpräsenz.





Wie aus einem Tarrantino-Film entsprungen steht sie auf der Bühne mit ihren rot geschminkten Lippen und ihrer Gitarre, aus der hochmelodische Klänge perlen. Boleroesk entwerfen Schlagzeug und Gitarre immer gewaltigere Spannungsbögen, verlieren sich aber nie endgültig im melodischen Chaos. Denn über ihnen thront und regiert Calvis hypnotische Stimme und lässt dunkle, atmosphärische Melodien mit romantischem Pop verschmelzen.

Am 14. Januar nun erscheint das selbstbetitelte Debütalbum von Anna Calvi bei Domino, das sie mit Rob Ellis (u. a. PJ Harvey) in London und Frankreich produziert hat. Es ist ein überraschend selbstsicheres Debüt, das ihre Talente als Songwriterin, Gitarristin und Sängerin auf zehn Songs gleichermaßen beeindruckend vorstellt. Anna Calvi steht bereits auf der einflussreichen BBC-Liste der Newcomer 2011!

„Wenn man sich in einem Keller einschließt und völlig isoliert an einem Album arbeitet, kann man schon mal ein wenig den Verstand verlieren. Einiges von meinem Material bezieht sich auf diese Situation – wie ich die Entstehung dieses Monsters überlebt habe, das drei Jahre lang mein Leben beherrschte.“ Anna Calvi

Anna Calvi lächelt süß. Das tut sie häufig. Sie wirkt so gar nicht wie ein Mensch, der Monster entstehen lässt. Oder die Art von Musik, die wilde, auf stürmischer See treibende Emotionen entfesselt, die sie auf der Bühne, mit entschlossener, lakonischer Anmut präsentiert. Auf jeden Fall haben wir es hier mit einer Art gespaltener Persönlichkeit zu tun. „Wenn ich live spiele, bin ich ein anderer Mensch“, lächelt Anna süß. „Ich fühle mich stark und furchtlos. So, wie ich im täglichen Leben gern wäre.“

Anna Calvis Debütalbum handelt von Lust und Liebe, Teufeln, und einer neuen Sicht auf den dramatischen Surrealismus im Stil von David Lynch … äh, Moment mal, sofort aufhören. Ein weiterer Aspekt an diesem entwaffnend süßen blonden Mädchen ist der Umstand, dass sie selbst besser als jeder andere definieren kann, was sie tut. Bei ihr gibt es keine „die Songs sprudeln einfach aus mir heraus“-Banalitäten. Anna Calvi weiß, was sie tut und warum sie es tut. „Es ist eine Platte über all diese Mächte, die von uns Besitz ergreifen, und wie man sie überlebt und einen Weg durch sie hindurch findet. Alles, worauf man vertrauen und woran man glauben kann, ist die Liebe. Das sage ich nicht leichtfertig dahin. Denn in dieser Welt gibt es eine Menge Dunkelheit. Dieses Album ist die Kulmination meines ganzen bisherigen Lebens.“

Und es gibt gute Gründe dafür, warum dieses Leben von Dunkelheit durchsetzt ist. Die Geschichte beginnt mit einem Baby, das in London geboren wurde und ums Überleben kämpfen musste. Anna Calvi verbrachte den größten Teil der ersten drei Jahre ihres Lebens im Krankenhaus.

„Das habe ich verkraftet, indem ich meine eigene Welt entstehen ließ. Und genau das beschreibt meine Beziehung zur Musik – eine Welt, die ich entstehen lasse und in die ich flüchten kann. Frühe Erfahrungen begleiten uns durchs ganze Leben.“

Ihr italienischer Vater ist musikbegeistert, dank seiner Plattensammlung kam Anna in den Genuss einer erstklassigen musikalischen Schule: „Captain Beefheart, The Stones, Maria Callas … sämtliche musikalischen Meilensteine finden sich in seinem Plattenschrank.“ Sie nahm Violinenunterricht. Doch im Alter von 13 Jahren eroberten Django Reinhardt und Jimi Hendrix ihr Herz und ihre Seele. Die folgenden Jahre verbrachte sie damit, sich selbst das Gitarrespielen beizubringen. Es folgten Obsessionen mit Django, Flamenco, Oper, westafrikanischer Musik und Ravi Shankar.

„Ich versuche, meine Gitarre wie andere Dinge klingen zu lassen. Das ist es, was man bei Musikern wie Reinhardt findet; er holt wirklich alles aus seinem Instrument heraus. Ich höre viel klassische Musik aus dem 20. Jahrhundert – Messiaen, Ravel und Debussy. Das impressionistische Element ihrer Musik - das ist es, was ich auf der Gitarre spüren will. Meine Gitarre wie ein Orchester klingen zu lassen. Aber diesen Effekt versuche ich nicht mithilfe einer Menge Pedale zu erreichen – mein Vox-Verstärker, ein Reverb-Pedal, und dann“ - sie legt ihre Hand auf eine Stelle zwischen Herz und Bauch - „kommt alles von hier.“

Damals hatte Anna noch gar nicht daran gedacht, selbst zu singen. Sie verdingte sich als Gitarristin in einer Teenager-Band. „Ich war sehr schüchtern. Meine Gitarre zu spielen, war meine Art, mich auszudrücken.“

Mit 17 erreichte sie einen Wendepunkt. Nachdem sie zunächst über ein Kunststudium nachgedacht hatte, traf sie in letzter Minute die Entscheidung, zu singen. „Ich wollte schon immer Sängerin sein, doch es war schwierig für mich, weil ich so schüchtern war. Aber ich habe daran gearbeitet – fünf bis sechs Stunden am Tag. Das habe ich streng geheim gehalten. Für einen Menschen wie mich war das die furchteinflößendste Entscheidung meines Lebens. Sehr, sehr, sehr langsam entwickelte sich diese große Stimme.“

Ihren musikalischen Seelenzwilling fand Anna, als sie 2006 Mally Harpaz kennen lernte. „Sie begann, mit mir Schlagzeug zu spielen. Als ich hörte, wie ein Harmonium gespielt wurde, fand ich das so wunderschön, dass mir die Tränen kamen. Es hat eine so zeitlose, ruhige Qualität. Ich fragte Mally, ob sie es nicht probieren wollte. Sie hatte noch nie eins gespielt, ist aber die Art von Musikerin, die einfach alles kann.“

Der nächste und letzte Rekrut für Calvis Weniger-ist-mehr-Projekt war Drummer Daniel Maiden-Wood. „Er ist sehr intuitiv. Und er hört zu, was man bei Schlagzeugern eher selten findet. Wir trafen keine bewusste Entscheidung, ohne Bass zu arbeiten. Ich wollte einfach, dass Mally das Orchester der Band ist, denn ich arbeite gern mit Beschränkungen. Mir gefällt die Rauheit der Musik, die wir drei produzieren. Und ich mag Raum in der Musik. Es ist spannend zu überlegen: ‚Wie kann ich mit dieser einen Gitarre den Sound einer riesigen Saitenabteilung entstehen lassen?’ So habe ich schon immer gearbeitet.“

Wie Anna bereits zu Beginn dieses Gesprächs bemerkt hat, begleiten uns frühe Erfahrungen durchs ganze Leben. So war es ihre jugendliche Begeisterung für den Flamenco, auf die sie bei ihren temperamentvollen und überhaupt nicht schüchternen Liveshows zurückgriff. „Flamenco-Tänzer sind wirklich leidenschaftlich, ihre Kleidung und ihre Haltung drücken echte Leidenschaft aus. Das hat unsere Bühnenoutfits stark inspiriert.“

Ihre erste externe Bestätigung kam von einem Mann, der seinerzeit auf dem Original-Sound And Vision-Album gespielt hatte und von Annas Videoserie mit wunderbar puristischen Auftritten, ihren Attic Sessions, begeistert war. Nachdem ein Freund von Brian Eno sie im Londoner Luminaire gesehen hatte, erzählte er dem bedeutendsten Produzenten und Provokateur der Musikszene von einer neuen Sängerin/Gitarristin, die Eno unbedingt hören müsste. Das tat er auf YouTube, und Eno war so beeindruckt von Anna, dass er sie zum Mittagessen einlud. „Er war süß. Ich gab ihm meine Keller-Demos und er war begeistert. Seither ist er für mich zu einem Mentor geworden. Er trat genau zum richtigen Zeitpunkt in mein Leben. Er war der erste Mensch aus der Außenwelt, der hörte, was ich machte und es validierte. Das war ein bedeutender Augenblick in meinem Leben. Er schickte mir eine E-Mail, in der er schrieb, dass meine Musik voller Romantik und Leidenschaft sei, und was können wir uns von der Kunst mehr wünschen? Das war für mich wie Wasser am Ende der Wüste.“

Dieses Element des Lichts am Ende eines langen, düsteren Tunnels durchzieht sowohl die Musik als auch die Geschichte des Albums. „Ich schrieb und nahm lange Zeit auf dem Dachboden meiner Eltern auf einem Achtspurgerät auf. Dann verbrachte ich zweieinhalb Jahre damit, an diesem Album in einem Kellerstudio zu arbeiten. Im Grunde sehr ungesund. Damals sah ich sehr, sehr lange Zeit kein Sonnenlicht.“

Gelegentlich verließ das Trio seinen nachtgleichen Bunker, um ein paar Shows zu spielen. Der junge Brit-Folk-Star Johnny Flynn bat Anna, ihn bei seiner Tournee zu unterstützen, und bei einem Gig in Manchester war zufällig der ehemalige Coral-Gitarrist Bill Rider-Jones anwesend. Er war begeistert, rief sofort Laurence Bell bei Domino an und bekniete ihn, Anna einen Vertrag zu geben. „Alles ging sehr schnell“, erinnert sich Anna. „Wir machten dieses Album in einem winzigen Studio und hatten nichts. Ich musste alle Saitenparts selbst spielen. Die Chöre bestehen aus mehreren Schichten meiner Stimme. Und dann eröffnete sich auf einmal die Möglichkeit, ins Black Box Studio in Frankreich zu gehen und mit diesem wunderbaren Vintage-Analog-Equipment aus den 1960ern zu arbeiten. Das wollte ich nur bei speziellen Songs einsetzen. Aber diese Möglichkeit hätte ich ohne Domino nie gehabt. Obwohl ich das hier sowieso machen würde, weil ich es nicht ertragen könnte, keine Musik zu spielen, ist es nicht einfach, wenn man zwölf Stunden am Tag arbeitet und seine Zeit und Energie in etwas investiert, von dem man nicht weiß, ob es jemals jemand hören wird. Es ist schön, den Kaninchenbau zu verlassen und wieder Tageslicht zu sehen.“

Rob Ellis ist natürlich ein Produzent, Komponist und Musiker, der durch seine Zeit mit Polly Harvey viel Erfahrung bei der Zusammenarbeit mit starken Künstlerinnen hat. Was hat er als Annas Koproduzent eingebracht?„Er ist Old-School-Rock’n’Roll … du weißt schon: ‚Hau kräftiger auf die Trommel!’. Das liebe ich. Wir teilen die Liebe zur klassischen Musik … er mag dieselben Komponisten wie ich. Also musste ich nicht erklären, was ich damit meinte, dass eine Gitarre oder ein Shaker wie ein Orchester klingen sollte. Es war toll jemanden zu finden, der mich verstand.“

Sie gesteht bereitwillig, dass ihre stärksten Einflüsse beim Gesang Elvis, Scott Walker, Nina Simone und Maria Callas sind, und beim Songwriting Roy Orbison und Leonard Cohen. Den Gitarren von Robert Johnson und Bukka White verdankt ihre einfache – Ha! Einfach ist hier wohl kaum die richtige Bezeichnung! – Debussy/Django/Hendrix-Klangpalette ihre Blues-Elemente.

„Es gibt zeitgenössische Künstler, die ich liebe. Antony And The Johnsons. Wild Beasts. TV On The Radio. Aber derart besondere Dinge findet man nicht häufig … schließlich ist es das, was sie so außergewöhnlich macht. Wenn man also in die Vergangenheit zurückgeht und sich diese besonderen Künstler herauspickt, stößt man auf Rohdiamanten. Wenn man allerdings nur zehn Jahre zurückgeht, muss man sich durch eine Menge Mittelmäßigkeit wühlen. Ich suche nach brillanten Momenten, die ich anzapfen kann.“

Wobei auch der zeitgenössische Film eine große Rolle spielt. „Ich mag Regisseure wie Wong Kar-wai und Gus Van Sant … Menschen, die schöne Filme machen, in denen die Kamera eine Geschichte erzählt. Ich versuche Musik zu machen, die von dieser Art von Filmemachern inspiriert ist.“

Anna ist zu Recht stolz auf ihr erstes Album und nennt zwei Songs, mit denen sie dem nahekommt, was sie ultimativ erreichen möchte. „Ich bin sehr detailverliebt. Und es gibt viel Klangmalerei auf Love Won’t Be Leaving. Ich empfinde Musik sehr visuell und möchte, dass die Musik die Geschichte mindestens so deutlich ausdrückt wie die Texte, wenn nicht noch deutlicher. Ich denke, das ist mir mit Love Won’t Be Leaving gelungen. Ich bin sehr zufrieden mit dem Album, das ich in Frankreich aufgenommen habe. Es ist ein gutes Beispiel dafür, dass ich die Gitarre wie ein anderes Instrument klingen lassen wollte. Der Mittelteil sollte an die Saiten in einem Hitchcock-Soundtrack erinnern. Das Crescendo, das sich auf eine Explosion zu bewegt. Aber auf eine echte und ehrliche Weise. Da gibt es keine heiße Luft.“

Doch vor dem Album kommt die erste Veröffentlichung. Anna hat sich auf eine Ein-Frauen-Mission begeben, um das uralte und edle Konzept der Debütsingle, die unabhängig von einem Album besteht, wiederzubeleben, denn ihr Album ist für sie ein abgeschlossenes Werk. So entstand Jezebel. „Es stammt von Wayne Shanklin. Aber ich hatte die Edith Piaf-Version gehört. Sie beeindruckte mich zutiefst. Ich liebe Edith Piaf. Ich liebe es, wie viel Gefühl und Passion sie in ihren Gesang legt. Das ist etwas, das ich in meiner Musik zu tun versuche … so offen und leidenschaftlich wie möglich zu sein. Jezebel erschien mir als erste Veröffentlichung genau richtig. Denn das Album ist eine in sich geschlossene Einheit. Es ist eine Geschichte und eine Reise. Deshalb wollte ich dem Album nichts vorwegnehmen, bevor es erschienen war. Ich wollte, dass die Menschen das Album in seiner Gesamtheit hören.“

Während ich diese Zeilen schrieb, bereitete Anna sich auf eine Tour mit Grinderman vor – überaus passend, denn Nick Caves Mythen schaffende Aktualisierungen von Vintage-Einflüssen könnten ein weiterer Hinweis auf Calvis Muse sein. Cave ist natürlich der Meister der Liebeslieder, die von Liebe und Sex als wilden, unkontrollierbaren Mächten handeln. Ich erwähne Anna gegenüber, dass diese Vorstellung dem Konzept von Lust und Bedürftigkeit, das ihr Debütalbum ausmacht, so nah wie irgend möglich kommt.

„Stimmt. Musik ist sehr sexuell. Wie könnte man das nicht auf irgendeine Weise ausdrücken? Gitarrespielen ist sehr sexy. Und dann ist da noch diese Sache … wenn man jemanden so sehr liebt, dass man meint, ihn töten zu können. Dieses Gefühl habe ich auf jeden Fall kennengelernt.“

Anna Calvi lächelt süß.

Anna Calvi live - Tourdates 2011

  • 11.02.2011 Hamburg, Prinzenbar
  • 12.02.2011 Berlin, Privat Club
  • 03.04.2011 Köln, Studio 672
  • 04.04.2011 Frankfurt, Brotfabrik
  • 06.04.2011 München, 59:1

(Quelle: Sven-Erik Stephan, Beatsinternational, 2010)


FORMAT: CD


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