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CD-DETAILS HOLLY COLE [COLE, HOLLY]

Cole, Holly

Holly Cole [Jazz]


RELEASE: 09.02.2007


LABEL: Tradition & Moderne

VERTRIEB: Indigo

WEBSITE: www.hollycole.com

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Jedes der Studio-Alben von Holly Cole hat eine eigene Entstehungsgeschichte. Die Konzeption des neuen Albums begann im vergangenen Jahr bei einem Treffen von Holly mit dem Produzenten, Arrangeur und Bassisten Greg Cohen in Toronto. Nachdem Cohen einige der Songs gehört hatte, die von Holly für ihr achtes Studio-Album in Erwägung gezogen wurden, machte er den Vorschlag mit einer größeren Band als für sie sonst üblich zu arbeiten. Kein Orchester oder eine Bigband mit einer bläserlastigen Horn-Section, sondern ein etwas kleineres Großensemble bestehend aus kreativ improvisierenden Musikern. Ausgestattet einerseits mit einer individuell unterschiedlichen musikalischen Sprache und andererseits mit der Fähigkeit zu gemeinsamer kreativer Arbeit.

„Die Idee war einfach, Holly in eine neue Arena zu schubsen und sie herauszufordern,“ sagt Cohen, der gemeinsam mit der Sängerin aus Toronto produzierte. „Holly ist eine der größten Sängerinnen, die wir heute haben,“ fährt Cohen fort. „Wenn sie singt, liefert sie eine Interpretation von großer Aufrichtigkeit und sie gibt einem das Gefühl, als habe sie den Song selbst geschrieben. Von ihrer Intonation und Phrasierung her, ihrem Sinn für Dynamik, der genauen Ausgestaltung jeder Zeile und ihrem Sinn für Überraschungen, hat ihr Gesang all das, was wir gemeinhin auch mit den großen Solisten und Instrumentalisten des Jazz verbinden.“

Seit den frühen achtziger Jahren lebt der in Los Angeles geborene Greg Cohen in New York. Er hat als Arrangeur für David Byrne, David Sanborn und Tom Waits gearbeitet und fast fünfzehn Jahre lang auch in der Live-Band von Waits gespielt. Cohen ist dazu ein gefragter Studio-Bassist und sein musikalischer Lebenslauf umfasst eine lange Liste von Namen: Ornette Coleman, Elvis Costello, Laurie Andersen, Bill Frisell, Jewel, Lou Reed, Bob Dylan und viele andere. „Greg und ich konnten auf vielen Ebenen eine Verbindung herstellen für dieses Album, sowohl musikalisch als auch persönlich,“ sagt Cole. „Mit ihm zu arbeiten ist für mich sehr natürlich.“ Greg Cohen wusste sofort, welche New Yorker Topmusiker er für das Projekt haben wollte, unter anderem Matt Munisteri (Gitarre), Steven Wolf (Schlagzeug), Marty Ehrlich (Altsaxophon), Lenny Pickett (Tenorsaxophon, Klarinette), Scott Robinson (Bassaxophon, Theremin), John Alfred (Posaune), Robert DeBellis (Bassklarinette, Baritonsaxophon), Vincent Chancey und Mark Taylor (French Horn).

Nicht alle dieser Musiker waren Holly Cole bekannt und gearbeitet hatte sie bislang mit keinem von ihnen. Sie vertraute jedoch Cohens Instinkt und seiner Musikalität. Denjenigen seiner Eigenschaften also, die sie von ihm als Produzent ihres 91er-Trioalbums „Blame It On My Youth“ schon kannte. Cohen schlug außerdem vor, bei einigen Tracks mit Musikern ihres Trios zu arbeiten. Mit ihnen spielt Holly Cole seit zwei Jahrzehnten: David Piltch (Bass) und Aaron Davis (Piano). Auch der außerordentliche Gitarrist Kevin Breit aus Toronto kam hinzu.

Das neue Aufnahmeprojekt sollte schlicht den Namen der Sängerin tragen und sich über drei Sessions erstrecken. Die ersten beiden fanden statt im Brooklyn Recording Studio in New York, gefolgt von einer dritten Session im Phase One Studio in Toronto.„Was Holly machte, haute mich einfach um,“ erklärt Cohen. „Wir stellten zuerst eine Regel auf – nur zwei Takes pro Song. Danach gingen wir in den Kontrollraum und hörten uns die Musik an. Meist ist Holly selbst die größte Kritikerin ihrer Stimme und sagt etwa – „das ist schlecht“. Ich dann im Gegenzug: „Was - bist Du verrückt? Denn was sie ablieferte, war so viel besser als das, was andere können. Ich war sehr froh, dass Sie sich durchringen konnte, diese ersten Vokal-Takes auch zu verwenden.“„Ich griff auf meine ersten Takes zurück, weil sie die besten waren“, sagt Holly Cole. „Sie hatten diese besondere Qualität des ‚Im-Moment-Seins.’ Was ich in den Aufnahmen hören konnte war einfach, dass ich es wirklich liebte, mit diesen Leuten live im Studio zu singen. Das ganze Konzept der Platte drehte sich um diese Art des gemeinsamen Ensemble-Spiels und genau das haben wir bekommen. Ich liebe es wirklich.“


Zu den Höhepunkten des Albums zählen Coles zärtliche Version von Irving Berlins „Be Careful It’s My Heart“, begleitet wird sie von Aaron Davis am Piano, und eine superbe Interpretation von Antonio Carlos Jobims „Waters Of March“. Ein Song als eine Art Feier des Lebens. Dieses exquisite „Waters Of March“ ist vielleicht der am meisten fesselnde Track des Albums. Holly Cole singt ihn auf ergreifende Art und man kann sich wohl kaum eine Vokal-Performance vorstellen, die noch mehr „im Moment“ sein könnte als diese. Den musikalischen Anforderungen des gewichtigen Textes stellen sich nur wenige Sänger überhaupt und Cole benutzt seine besondere poetische Form als Transportmittel für die von der Phrasierung her vielleicht emotionalste Aufnahme ihrer Karriere.

Nachdem Holly Cole das Repertoire des Albums ausgewählt hatte, unterhielt sie sich am Telefon mit dem bekannten New Yorker Arrangeur und Pianisten Gil Goldstein, der in der Vergangenheit schon mit Michael Brecker, Pat Metheny, David Sanborn, James Moody u.v.a. gearbeitet hat. Man begann damit, die Parameter für weitere Arrangement-Ideen zu entwerfen. Cole bat Goldstein zunächst darum, sich ihre Interpretationen einmal ‚a cappella’ anzuhören, um ihm eine Vorstellung von Form und Konzept des Ganzen zu geben – von Farben, Tempi und Stimmungen. Und obwohl Holly Cole durchaus auch eigene Entwürfe und Vorstellungen hatte, gab sie Goldstein freie Hand, die Songs weiter umzuarbeiten. „Gil war total offen,“ sagt Cole. „Manche Arrangeure möchten nicht, dass Du selbst einen Input hast. Ihre Einstellung ist so: erst mache ich das Arrangement und dann kannst Du Deinen Platz darin finden. So war Gil nicht. Er war offen auch für meine Ideen und wir arbeiteten sehr gut zusammen, weil wir beide eine wirkliche Liebe für dieses Songmaterial hatten und auch eine ähnliche Ästhetik bevorzugen.“ Greg Cohen erinnert sich: „Goldstein hat die Songs nicht dramatisch umgearbeitet oder in einer anderen Stilistik neu geformt. Er hat sie stattdessen ganz sanft mit neuen Farben, Texturen und Stimmungen ausgestattet. Seine Noten waren allerdings nicht leicht zu spielen.“

„Die Kommunikation zwischen uns funktionierte,“ sagt Goldstein, der auf dem ganzen Album auch Klavier spielt. „Ich hatte das Gefühl, dass ich ihr Ding verstand und dass sie selbst für meine Vision ihrer Sache offen war.“ Goldstein hatte auch keine Angst vor Coles Songauswahl. Die ist gelegentlich etwas eigenwillig, dann aber auch wieder durchaus konventionell. „Es macht immer Spaß, sich neue Musik anzuschauen,“ sagt Goldstein. „Ich kenne das Material zunächst nicht und nähere mich dann ganz frisch.“

„Der 1962er Foxtrot-Hit ‚The Alley Cat Song’ von Bent Fabric ist eine für mich etwas seltsame Song-Auswahl,“ gibt Holly Cole ihrerseits freimütig zu. „Ich konnte mich an eine ziemlich glatte Version aus meiner Kindheit erinnern, die – um ehrlich zu sein – etwas nach Fahrstuhlmusik klang. Doch neulich hörte ich den Song wieder und dachte mir: Ganz anders behandelt könnte er vielleicht interessant sein. Ich war gespannt, was Gil damit anstellen würde.“

Wenn es eine durchgängige Qualität auf allen Holly Cole-Alben gibt, dann ist es ihr Verlangen, besondere emotionale Landschaften auszukundschaften. Holly Cole blickt aus verschiedenen Perspektiven auf das Leben - ganz direkt und nicht beschönigend. Diesmal ging es inhaltlich - neben den Besonderheiten der mit Cohen abgestimmten Instrumentierung - vor allem um einen Lebensaspekt, den alle Menschen erfahren, über den man aber nur selten spricht: innere Verleugnung. „Ich begann damit, mir Songs anzuschauen, die sich ganz grundsätzlich mit dem Thema Verleugnung oder Selbsttäuschung beschäftigen,“ sagt Cole. „Wie wir uns selbst betrachten, unsere Handlungen und das, was wir als die Motivation unseres Handelns begreifen.“

Der Eröffnungssong des Albums „This House Is Haunted“ kommt aus den dreißiger Jahren und wurde geschrieben von Rose & Basil Adlam. „Ich hörte mir die Version von Mel Torme & The Mel-Tones an,“ sagt Cole. „Kay Starr hat den Song auch einmal gesungen, wie ich später herausfand. Eine Sängerin, die ich wirklich liebe.“ Wenn man sich die Liste der weiteren Songs anschaut, angefangen bei „I Will Wait For You“ und „Charade“, bis hin zu „Life Is Just A Bowl Of Cherries“ und den beiden Irving Berlin-Songs „Be Careful It’s My Heart“ sowie „Reaching For The Moon“, dann merkt man, dass jeder dieser Songs für sich betrachtet eine gewisse Verzweiflung ausdrückt. In ihrer Gesamtheit betracht jedoch vermitteln die Songs durchaus eine gewisse Freude. Holly Cole scheint uns hier auf ihre Art zu bitten, Streit und Ärger möglichst aus dem Leben zu verbannen.

Die stilistische Bandbreite der Musik ist groß. Von „Waters Of March“ über „Reaching For The Moon“ bis hin zu „Life Is Just A Bowl Of Cherries“, letzteres bekannt gemacht in den zwanziger Jahren vom „Vagabond Lover“ Rudy Valee, ist es in der Tat ein weiter Weg. „Jeder der glaubt, dass das Leben wirklich nur leicht ist, befindet sich ganz offensichtlich in einem Zustand völliger Verleugnung, denn so ist es ja wirklich nicht. Doch andere Aspekte des Lebens sind so verlockend und einfach wie eine Schale voll süßer Kirschen. Wir sollten nicht zulassen, dass uns durch all die Beschwerlichkeiten des Lebens die kleinen Freuden geraubt werden. Darum geht es mir bei diesem Song. Ich mag den Text sehr: ‚Die süßen Dinge im Leben / Sie sind Dir nur geborgt / Wie kannst Du also verlieren / was Dir niemals gehörte?’ Das ganze Leben ist doch nur geborgt, stimmt’s?“ Greg Cohen fügt hinzu: „Ich war sehr glücklich darüber, dass Holly ‚Life Is Just A Bowl Of Cherries’ ausgewählt hatte. Ich dachte sofort an ein gemeinsames Feature für sie und Matt Munisteri. Matt kommt musikalisch sehr aus dieser Zeit. Das Ergebnis klang dann sehr freudig aber auch ironisch – so ähnlich wie Holly selbst auch ist.“

Ähnliches gilt laut Greg Cohen auch für Irving Berlin’s „Reaching For The Moon“, ein Hit für Ben Bernic aus dem Jahr 1926. „Dieser Song sprach wirklich zu mir und er kann verschiedene Naturen annehmen. Hier ist es die Vorstellung, nach etwas Unerreichbarem zu greifen. Ich hatte noch nie von diesem Song gehört,“ fügt Cohen hinzu, „doch ich fand ihn zuhause in meiner Irving Berlin-Notensammlung. Ich habe alles, was er geschrieben hat.“ Holly Cole steuerte auch einen eigenen Song zum Album bei: „Larger Than Life“, eine lässige Würdigung eines ihrer Lieblingskomponisten – Cole Porter. Ironischerweise erklingt dieser Song auf dem Album gleich nach Porters „It’s All Right With Me“. „’Larger Than Life’ ist etwas wie ein Cole Porter-Song, weil er auch diese grandiosen Bezüge und Wortspielereien aufweist,“ sagt Holly Cole. Was viele Fans besonders an ihr schätzen ist die musikalische Eigenständigkeit der Kanadierin. Man kennt zwar ihre Einflüsse, weil sie oft darüber gesprochen hat, doch wenn sie singt, ist davon nichts mehr zu spüren. Dann ist sie ganz sie selbst.

(Quelle: Tradition & Moderne)


FORMAT: CD


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